Der träumende Diamant 1 - Feuermagie
hatte. Wahrscheinlich.
London begann, ein wenig verlockender zu erscheinen.
Die beiden Hunde aus den Ställen machten einen Satz um die Ecke des Rosengartens herum. Der größere von ihnen witterte sie, galoppierte keuchend und zähnefletschend über den Rasen auf sie zu und sprang Kit voller Begeisterung und schmutzigen Pfoten an. Er schob ihn zur Seite und kraulte seine Ohren; der Hund riss sich los und umkreiste sie beide tänzelnd, während sein Schwanz gegen sie peitschte. In routinierter
Weise schnipste Rue mit zwei Fingern. Der Hund antwortete mit einem weiteren Sprung, und während sie die Vorderpfoten mit beiden Händen umfasste, taumelte sie einen Schritt zurück.
Ein freudiges Jaulen ertönte. In einiger Entfernung stimmte der andere Hund mit ein, kam jedoch nicht näher.
»Deine?«, fragte sie, während der Hund sich in ihrem Griff wand und versuchte, ihre Handgelenke zu lecken.
»Sozusagen.« Er scheuchte ihn von ihr fort. »Los, geh nach Hause.«
Der Hund bellte noch einige Male, tänzelte zwischen ihnen hin und her und jagte dann davon zu seinem Kameraden, wobei er Wasser und Schlamm aufspritzen ließ.
»Ich habe noch nie Hunde in Chasen Manor gesehen«, sagte sie und sah ihnen nach, wie sie in einem Weidengehölz verschwanden.
»Nein. Es gibt nur die beiden.«
In Wahrheit waren es die ersten beiden. Die Drákon kamen nicht gut mit anderen Tieren aus, so wie sich Löwen nicht mit Lämmern vertragen. Es gab wilde Vögel in den Bäumen und Mäuse in den Scheunen, doch das war schon beinahe alles. Darkfrith hatte keine Eichhörnchen, keine Igel, keine Füchse oder Hasen. Keine Katzen oder Kühe oder Hühner oder Schweine. Gelegentlich wagte sich ein Hirsch in die undurchdringlichen, grünen Wälder vor und durchstreifte diese rasch wie ein Geist, ehe er wieder auf sichereren Boden verschwand. Der Stamm hielt Pferde, weil es eine Notwendigkeit war, und eine einzelne Herde Schafe in den Hügeln, um den Schein zu waren, aber die Schafe mussten von Kindern gehütet werden. Sie gerieten zu leicht in Panik, wenn Erwachsene in der Nähe waren.
Vor zwölf Jahren hatte sein Vater eine Silberader entdeckt,
die sich durch das östliche Tal zog. Doch durch das Gesetz der Natur waren die meisten der Drákon Bauern; sie betrieben Handel, um an Fleisch zu gelangen.
Rue warf Kit einen Blick zu, in dem eine Spur von Erstaunen lag.
»Warum sind sie hier?«
»Sie haben sich verirrt, nehme ich an. Oder sie sind wild. Oder dumm.«
»Aber warum sind sie hier ?«
»Sie haben darauf bestanden zu bleiben«, sagte er und schüttelte den Schmutz von seinen Händen. »Ungefähr so wie schlecht erzogene Verwandtschaft.«
»Und du lässt es zu.« Ihr Tonfall war mehr der einer Feststellung als der einer Frage. Ihre plötzliche Intensität, der sanfte, braune Ausdruck ihrer Augen: Er fühlte sich beinahe unbehaglich unter diesem Blick. Kit entschloss sich, der Situation eine Wendung zu geben.
»Würdest du mich wieder lieben, wenn ich ›ja‹ sagen würde?«
Sie legte den Kopf schief und musterte ihn. »Ich frage mich, wie einfältig du wohl bist. In meinem Gewerbe nennt man das die Lage sondieren .«
»Und?«
»Und …« Sie blickte auf ihre Handflächen hinunter, wischte sie an dem durchgeweichten Kleid ab und fuhr fort: »Ich nehme an, dass du ein sehr guter Schauspieler bist, Mylord.«
Er lachte und begriff. »Das war mein Hund.«
»Tatsächlich? Wie heißt er?«
Sie waren bei den Flügeltüren des Herrenhauses angelangt. Bevor er antworten konnte, wurden sie geöffnet. Lauwarme Luft und das Facettenlicht des Leuchters aus Felskristall erwarteten sie. Er bedeutete ihr mit einer Handbewegung, sie solle
zuerst eintreten, dann folgte er ihr, und beide hinterließen eine Schlammspur auf dem glänzenden, hellen Fußboden.
Unter vielen Verbeugungen zogen sich die Lakaien in die Schatten zurück, aber Kit hätte sie ohnehin fortgeschickt, allerdings nicht die Wachen, die noch immer treu hinter ihnen her trabten - der Rat wäre weit weniger entgegenkommend gewesen. Als er Rue seine Hand entgegenstreckte, griff sie danach und tat so, als bemerke sie ebenso wenig wie er die vielen Gestalten, die sich auf den Fluren herumdrückten. Am Fuße der großen Treppe blieb Kit stehen, um seinen Mantel aufzuknöpfen und ihn achtlos über das Geländer zu werfen. Rue hob ihre Hand über das Kleidungsstück hinweg, als sie daran vorbeikam, und ließ ansonsten auf dem Weg nach oben die Finger über das Messing gleiten.
Die
Weitere Kostenlose Bücher