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Der träumende Diamant 1 - Feuermagie

Titel: Der träumende Diamant 1 - Feuermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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nächsten Schornstein und zur regennassen Halbkugel der Kuppel. Aber da waren keine versteckten Männer, die lauschten, nur das unablässige Tropfen des Regens auf den nassen Backsteinen. »Ist das ein Trick? Ein neuer Einfall des Rates?«
    »Nein, Maus. Es ist meine eigene Idee. Der Rat weiß nichts davon.«
    »Es ist helllichter Tag!«
    »Nicht mehr, wenn wir dort ankommen.«
    »Wunderbar! Wir erreichen einfach so London, zwei ganz alltägliche Drachen …«
    »Leider nein«, sagte er sanft, »eher zwei vollkommen unbekleidete Menschen.« Er spreizte die Finger, sein Haar fiel golden herab, seine gewitzten Augen blitzten grün, sein Lächeln wurde breiter. »Komm schon. Willst du mir wirklich weismachen, dass du keinen provisorischen Unterschlupf in der Stadt hast? Jemand, der so routiniert ist wie du, eine Meisterdiebin, ohne einen Rückzugsort für den Notfall?«
    »Wenn ich einen solchen Ort hätte, würde ich ihn dir nicht zeigen!«
    »Nun gut. Dann werden wir uns nach Far Perch begeben. Ich kenne einen geheimen Eingang. Du kannst irgendetwas von der Haushälterin anziehen.«

    Sprachlos schüttelte sie den Kopf, doch gegen ihren Willen hatte sie plötzlich das Bild vor Augen, wie es wohl wäre, mit ihm im kalten, blauen, strahlenden Sonnenlicht zu fliegen und nicht mehr länger Feinde zu sein. Seite an Seite dahinzuschießen.
    Mühelos und leichtfüßig kam er zu ihr, als ob die Dachziegeln nicht voller Pech und Wasser wären. Herzlich, wie bei der Begrüßung zwischen Liebenden, näherte Kit seinen Kopf dem ihren und brachte seine Lippen an ihr Ohr.
    »Wer war es, der zu mir sagte: Brich ihre Regeln ?«
    Ehe sie antworten konnte, hauchte er ihr einen Kuss auf die Wange, so flüchtig und kühl, dass sie ihn kaum spürte, und zog sich dann zurück, während er an seinem Halstuch nestelte.
    »Quentin«, sagte er, ohne die Augen von ihr abzuwenden, »bitte seien Sie so gut und informieren Sie den Rat, dass Mistress Hawthorne und ich Hals über Kopf nach London abreisen mussten.«
    Die ersten beiden Wachen auf der Treppe lösten sich nacheinander aus der Dunkelheit. »Mylord?«
    »Wir werden dort wieder mit Ihnen zusammentreffen.«
    »Aber Sir, Sie können doch nicht …«
    »Quentin«, sagte Christoff in verändertem Tonfall, eisig und sehr leise.
    Der Wachmann schwankte, eine Hand in Richtung der offenen Tür ausgestreckt, dann verbeugte er sich. »Wie Sie wünschen, Lord Langford.«
    »Ich danke Ihnen. Mylady?«
    Der Marquis hob Rue die Handfläche entgegen; ein Mann in windzerzauster Anmut, der abwartete, der reglos wie das Auge eines Sturmes war, eine unerbittliche Kraft, die nur für Momente im Zaum gehalten werden konnte. Die Hacken seiner
Schuhe ruhten am alleräußersten Rand des Daches. Wenn der Wind sich drehte, wenn er das Gleichgewicht verlöre …
    Jenseits von ihm gab es nur Bäume, Himmel und den dunkelnebligen Sturmwind, der die smaragdgrünen Hügel aufpeitschte.
    »Du bist verrückt«, sagte Rue noch einmal, doch sie bewegte sich auf ihn zu. Seine Finger schlossen sich um ihre Hand; er hob diese an seinen Mund und hielt sie dort, um ihre Haut mit seiner eigenen zu wärmen.
    »Ich ziehe das Wort verwegen vor.«
    Sie wäre beinahe in Gelächter ausgebrochen.
    »Oh, und noch etwas …« Über ihre verschränkten Finger hinweg warf er ihr erneut ein Lächeln zu, dieses Mal anhaltend und gefühlvoll.
    »Kleines, braunhaariges Mädchen … Ich habe dich durchaus bemerkt.«
    Er vollzog die Wandlung und wurde zu Rauch. Sie sah zu, wie seine Kleidung auf den Schindeln zusammensackte und sich die Seide und der Samtstoff sofort mit Wasser aus den Pfützen vollsogen. Ein Schuh blieb einen Moment an der Dachkante hängen, ehe er, sich wild überschlagend, hinabstürzte. Rue sah noch einmal zu den Männern hinter ihr, dann hinauf in die Wirbel der violetten Wolken. Sie trat auf dem Dach von Chasen Manor einen Schritt zurück und vollzog ebenfalls die Wandlung, und zum zweiten Mal in ihrem Leben folgte sie Kit Langford hinauf in den Himmel.
     
    Sie war damit aufgewachsen, die Männer des Stammes dabei zu beobachten, wie sie über den sternenbedeckten Himmel flogen oder sich auf den Weg nach Hause machten, wenn der Tag anbrach - nach dem Mond und vor der Sonne, wenn sie wie Zephyre am Horizont entlangpreschten und der Wind
ein schwaches Zischen in ihren Flügeln verursachte. Christoff war so oft einer von ihnen gewesen. Sie hatte sich ein Spiel daraus gemacht, ihn zwischen den vielen anderen zu entdecken,

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