Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der träumende Diamant 1 - Feuermagie

Titel: Der träumende Diamant 1 - Feuermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
Vom Netzwerk:
weshalb Rue seinen Flügelschlag nun kannte, die schnittige Eleganz seiner Schwingen, das dunkle Schimmern seiner Schuppen und die Art, wie er emporsauste und dann in einem Sturzflug verschwand, wie es Falken tun. Ein Jäger, der seine Beute mit nur einem wohlgesetzten Schlag seiner tödlichen Klauen aufspießen konnte.
    In den Wolken wartete er auf sie. Er war bereits zum Drachen geworden und wirbelte die großen, bauchigen, grauen Wolken auf, die schwer vom Regen waren, der erst noch fallen musste. Auch sie hatte die Wandlung vollzogen, und sofort war ihr die klamme Kälte unbehaglich. Ohne nach Kit zu sehen, stieg sie höher, um dem schlimmsten Teil der Wolken aus dem Weg zu gehen. Am vordersten Ende einer aufgeblähten, schwarzen Wolke stieß sie ein Loch hinein, hinter dem sie der Himmel im Licht reiner Saphire und Streifen von hellerem Dunst, wie fadenscheinige Laken auf einem umgedrehten Bett, erwartete.
    Sie kannte nur den Weg nach Westen; sie kannte die Richtung der Sonne. Der Nebel umspielte noch immer die Spitzen von Christoffs Flügeln, als er sie in einer engen Spirale umflog, sie jedoch nie streifte, selbst dann nicht, als sie ihren Nacken streckte und einen Satz nach vorne machte, um ihm auszuweichen. Er blieb vor ihr, warf einen Blick zu ihr zurück, und vereinte Stärke und Schönheit in einem langen, gewundenen Band aus metallischen Farbschattierungen. Sie glaubte zu sehen, wie er grinste. Dann brach er nach rechts aus, ein langsamer Gleitflug, bei dem er seine Flügel bis aufs Äußerste spreizte, um dann an Tempo zuzulegen. Sie machte es ihm nach und fand den gleichen Luftstrom, der sie trug.

    Rue war weniger geschickt als er in dieser Gestalt, das ließ sich nicht bestreiten. Sie konnte die Male, in denen sie die Wandlung vollzogen und die Drachenform angenommen hatte, an einer Hand abzählen. Die überfüllte Stadt eignete sich nicht für ein ungestörtes Ausprobieren. Aber Kit flog, als hätte ein Engel eine glänzende, helle Linie von Darkfrith aus bis nach London über den Horizont gezogen. Er schob sich zwischen den Wolken hindurch, fand neue Strömungen, wenn die alten ihre Richtung änderten, und glitt oft ohne sichtbare Anstrengungen genau neben ihr, seine Augen waren schmale Schlitze, und sein Körper war schlank und gerade.
    Sie fand es … berauschend. Selbst mit ihm fühlte es sich hier wie Freisein an, als müsse sie nie wieder den Boden berühren.
    Die Sonne ging langsam unter, und der gesamte Himmel stand in Flammen. Er übergoss sie mit wilden Rosatönen, Kirsche und Orange; Farben, die so lodernd und leuchtend waren, dass sie beinahe in den Augen schmerzten. Jeder Schlag ihrer Flügel veränderte die Schattierungen und ließ den Himmel dunkler erscheinen, und als die ersten Sterne über ihnen prangten - ein ganzer Strauß von ihnen war gleichzeitig erblüht -, war vom Tag nicht mehr übrig als ein schmales Band von intensivem Kastanienbraun, das wie heißer Sand mit dem Rand der Welt verschmolz.
    In der Dunkelheit glühte Kit schwach wie Sternenlicht. Wenn sie die Richtung änderten, waren ihre Ohren erfüllt von dem anschwellenden Sausen des Windes, doch wenn sie dahinglitten, wenn sie auf den Schwingen der Luft ritten, hörte sie nur ihn. Den flüsternden Nachhall seines Fluges, seiner Atmung, seines Herzschlags. Dann war es so still. Als hätte es niemals einen anderen als sie beide im Kosmos gegeben, als ob es über und unter ihnen, in all der schwarzen, glitzernden
Einsamkeit des Universums, niemals jemanden außer ihnen beiden geben würde.
    Und sie glitten dahin. Manchmal lichteten sich die Wolken. Jene, die nicht mehr schwer vom Regen waren, zerstreuten sich zu schmalen Streifen und gaben den Blick frei auf die kaum sichtbaren Gezeiten, die um sie herum auf und ab wogten. Aber Rue und Kit flogen sehr hoch, und der Boden war weit unter ihnen. Rue erahnte die Städte unter ihnen nur: unregelmäßig verstreute Lichtflecken, die schwache, spinnenartige Beine in die Nacht streckten. Ein Schwarm Gänse, viel langsamer als sie, war Richtung Süden unterwegs. Und einmal war das alabasterweiße Spiegelbild des Meeres zu sehen, das in einer zerklüfteten Kurve ins Ufer gepresst war.
    Kit steuerte davon weg, sie folgte.
    Trotz der weichen Luft, oder vielleicht gerade ihretwegen, drifteten Rues Gedanken davon, und ihre Augenlider wurden schwer. Schläfrig fiel ihr ein, dass sie etwas zu Abend hätte essen sollen, dass ihre Energie mit leerem Magen rasch nachlassen würde, dass

Weitere Kostenlose Bücher