Der träumende Diamant 1 - Feuermagie
Witwe Hilliard dargestellt. Doch trotz der Freuden ihres Stadtlebens gab es einen Punkt, mit dem sie sich noch nie auseinandergesetzt hatte. Sie konnte es sich nicht leisten, krank zu werden. Sie konnte es sich nicht leisten, einen Arzt zu rufen. Niemals.
Die Drákon lebten und starben abseits der Anderen , und das aus unzähligen guten Gründen. Wenn sie krank wurden, wurden ihre Gaben gefährlich unberechenbar. Sie hatte von Stammesmitgliedern gehört, die, vom Fieber gepackt, unkontrolliert die Wandlung vollzogen, die sich von Drachen-in-Rauch-in-Mensch-wieder-in-Drachen verwandelten, ohne auch nur dabei aufzuwachen. Einige hatten Räume verwüstet. Ein Mann hatte beinahe sein ganzes Haus demoliert und seine Frau und seine vier Kinder in alle Winde vertrieben, bis der alte Marquis sie bei sich aufgenommen hatte. Es bedurfte schon einer wirklich schweren Krankheit, um einen Angehörigen des Stammes niederzustrecken, aber wenn er erst mal vom Fieber geschüttelt wurde, konnten die Folgen schnell eintreten und verheerend sein.
Die bloße Vorstellung hatte Rue so entsetzt, dass sie das eine Mal, als sie wusste, dass sie sich ein Fieber eingefangen hatte, jeden aus dem Haus verbannt hatte. Sie hatte allen erzählt, es handele sich um das Fleckfieber, und hatte sie für vierzehn Tage nach Bath geschickt. Außerdem hatte sie wegen Zane auch die Schlösser austauschen lassen. Nur für alle Fälle.
Far Perch stellte ein viel düstereres, wenn auch besser ausgestattetes Gefängnis als ihr eigenes Zuhause dar. Ohne die Anwesenheit der Haushälter des Marquis, ohne den Rat oder
die Wachen, lief Rue allein durch die glänzenden Flure, ohne sich die Mühe zu machen, Leuchter oder Lampen mitzunehmen, und übte sich in Schweigen, während Christoff in einem der oberen Stockwerke schlief.
Es war noch recht früh am Tag. Die Tatsache, dass er noch schlief, war nicht besorgniserregend.
Sie war ihm hierher gefolgt, genau, wie sie es versprochen hatte. Sie hatte ihm den Diamanten ausgehändigt, gleichermaßen erleichtert und bedauernd, dass sie ihn aus der Hand geben musste. Herte war etwas Besonderes, ganz ohne Frage. Den Stein zu halten war so, als umfasse man ein kühles Stückchen des Regenbogens, etwas so Seltenes und Magisches, dass es unmöglich zu begreifen schien. Der Diamant erfüllte ihr Blut mit Leben und versprühte höchstes Glück an der Stelle, wo er ihre Haut berührte. Aber er war nicht ihre Freiheit wert. Und so hatte sie ihn letzte Nacht an Christoff übergeben und dafür gesorgt, dass dieser die Wunde an seinem Bein auswusch und verband und sich dann zu Bett begab.
Herte lag noch immer auf Christoffs Nachttisch, als sie an diesem Morgen aufgestanden war. Sie hatte durch seine Tür gelugt, und der Stein hatte sie angefunkelt: eine stumme Versuchung. Daneben in seinem Bett war Kit nur schemenhaft zu sehen und sein schwacher, gleichmäßiger Atem zu hören. Sie konnte gerade noch sein langes, blondes Haar auf dem Kissen ausmachen.
Sie flüsterte seinen Namen. Kit erwachte nicht. Rue schloss die Tür und schlich davon.
Doch sie brachte es nicht über sich, ihn zurückzulassen, obwohl sie daran gedacht hatte. Sie ging sogar zu dem Salonfenster, das Zane genutzt hatte, und spielte mit dem Riegel, öffnete ihn und schloss ihn wieder, ehe sie hinab in die Küche stieg. Sie fand einen Holzlöffel in einer der Schubladen und
brach den Griff ab. Dann kehrte sie zurück zum Fenster und steckte ihn zwischen Schloss und Rahmen.
Der Himmel hinter dem Glas nahm ein endloses, unverfälschtes Blau an. Ein rotbraunes Eichhörnchen huschte vor ihr mit großen Sprüngen über die Straße; beinahe sah es aus, als fliege es bei seinem eiligen Versuch, die nächstgelegene Ulme zu erreichen.
Ihr Magen knurrte.
Sie ging in die Küche zurück, setzte einen Kessel Wasser für die Dose mit Haferflocken auf, die sie gefunden hatte, und aß jeden Löffelvoll unter Schaudern. Sie verabscheute Haferbrei. Aber es gab nur dies oder eingelegte Gurken und Dorsch.
Ihre Köchin hätte ihr gewürzte Würstchen zum Frühstück serviert. Buttercroissants. Frische Melonen und Saft und süßen, kochend heißen café au lait.
Rue kratzte den Rest des Breis aus ihrer Schale und stellte sie in ein Becken, zusammen mit dem zerbrochenen Löffel. Dann stieg sie die Treppe hinauf ins Zimmer des Marquis.
Er hatte sich auf die Seite gedreht, einen Arm um das Kissen geschlungen, und sein Körper war tief in die Matratze gesunken. Sie genoss seinen
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