Der träumende Diamant 1 - Feuermagie
und tun so, als würden sie einander nicht erkennen, wenn sie die Frauen ihrer Nachbarn betatschen. Du musst nicht als Lakai auftreten.« Er bekam ihren Zopf zu fassen und strich sich mit dessen gelocktem Ende über seine Handfläche. »Sei eine Königin. Ein Milchmädchen. Milchmädchen tragen ganz bezaubernde Kleidung.«
»Ich werde es mir merken.« Sie schüttelte ihr Haar aus seiner Hand. »Aber wenn der Comte nicht eingeladen ist, bezweifle ich diesbezüglich doch ein wenig, dass der Läufer dazugebeten worden ist. Das letzte Mal, als ich ihn sah, war er ein Teehändler, davor ein Gärtner. Er wird kein Gast, sondern ein Arbeiter sein. Das bedeutet, dass er höchstwahrscheinlich schon heute tagsüber im Haus ist, nicht erst am Abend.«
»Falls er überhaupt da ist.«
»Falls er überhaupt da ist«, erwiderte sie zustimmend.
Er lehnte sich wieder zurück und musterte sie. »Du weißt, dass wir in diesem Spiel die Nase vorn haben, solange sich Herte in unserer Hand befindet. Warum nehmen wir uns nicht einen Tag frei?« Er schenkte ihr ein gewinnendes Lächeln. »Wir könnten ein Picknick machen. Und Covent Garden ansehen. Vielleicht ein paar Schwäne erschrecken.«
»Ich habe eine bessere Idee. Warum bringst du mir auf dem Rückweg von der Apotheke nicht etwas Anständiges zu essen mit? Ich werde nicht noch einmal Haferbrei essen.«
»O je. Ist es so schlimm?«
»Noch schlimmer.«
»Ich schätze«, sagte er, »wenn du heute den ganzen Tag
ein Lakai bist, wirst du nicht viel Gelegenheit haben, etwas zu Abend zu essen.«
»Marlbroke gibt seinen Dienstboten drei Mahlzeiten am Tag. Ich werde schon nicht verhungern.«
Kit pochte mit den Fingern auf die Armlehne seines Sessels. »Du hast das schon einmal gemacht.«
Ihr Lächeln war atemberaubend und blendete ihn fast mit seinem raschen, verlockenden Schimmern. »Natürlich.«
Er hatte nicht vor, sie allein gehen zu lassen. Er fragte sich, ob er das überhaupt würde aussprechen müssen, doch er sah hinter ihrem Lächeln die Intrige, die sie im Schilde führte, und entschied sich, dass er es ihr sagen musste.
»Der Earl von Marlbroke kennt mich. Ich werde ganz bestimmt nicht als Lakai durchgehen.«
»Nein. Du gehst ja auch zur Apotheke, erinnerst du dich? Du brauchst eine Salbe für dein Bein.«
»Rue …«
»Ich werde nichts ohne dich unternehmen«, sagte sie, und ihr Lächeln verschwand. »Ich halte nur nach dem Dieb Ausschau. Ich will nur sehen, ob er dort ist.«
»Während er sehen wird, dass du ebenfalls da bist«, gab er zu bedenken.
»Gegenseitige Beschattung. Daran ist nichts Schlimmes.«
»Maus.« Er erhob sich und zog sie zu sich, bis sie vor ihm stand. »Das ist der Mann, der sich überlegt hat, den wertvollsten Diamanten des Stammes zu stehlen, und der ihn dann wegwarf, als er begriff, dass er ihn nicht würde verkaufen können. Er hat sehr viel zu verlieren, wenn er sich auch nur in der Nähe eines anderen Drákon befindet. Offenkundig hat er alles für sein Leben hier aufs Spiel gesetzt und wird aller Wahrscheinlichkeit nach noch einmal alles aufs Spiel setzen, um es nicht wieder zu verlieren.«
»Genauso wie ich«, sagte sie nüchtern.
Seine Finger verkrampften sich um ihre Hand. »Verdammt, du kannst nicht allein gehen. Und es gibt keinen guten Grund, weshalb ich dich begleiten sollte, jedenfalls nicht bei Tageslicht. Wir sollten heute Abend gemeinsam beim Ball erscheinen.«
»Vielleicht ist er heute Abend gar nicht da.«
»Wir sollten es versuchen.« Er bemühte sich um einen sanfteren Tonfall. »Uns bleiben noch ein paar Tage, liebste Rue. Es muss nicht alles an diesem Nachmittag erledigt werden.«
»Nein.« Eine Falte bildete sich zwischen ihren Augenbrauen, und sie riss ihre Hand los. »Ich lasse nicht zu, dass du das verdirbst. Der Maskenball ist heute Abend. Lady Marlbroke wird spätestens zur Teestunde ihre Perlen aus dem Tresor holen. Ich muss dort sein.«
»Das ist nicht möglich.«
Sie trat einen Schritt zurück ins Sonnenlicht. »Du hast geschworen, dass du mir helfen willst.«
»Nicht, dir dabei zu helfen, dich unnötig in Gefahr zu bringen. Schlag dir das aus dem Kopf, Rue. Wir werden erst heute Abend gehen.«
»Das ist nicht gut genug.« Sie eilte zum Fenster. Einen Augenblick lang, als seine Anspannung anstieg und das entzündete Stechen in seiner Wade heftige, gleichmäßige Krämpfe sein Bein emporjagte, glaubte er, sie würde sich in Rauch verwandeln und einfach davonschweben. Das Zimmer war kaum
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