Der träumende Diamant 1 - Feuermagie
gesichert.
Aber stattdessen blieb sie vor dem Fenster stehen, die Hände in die Hüften gestemmt, und das schonungslos strahlende Licht umgab sie wie einen Heiligenschein.
»Marlbroke hat eine Tochter«, sagte sie plötzlich.
»Und?«
»Im heiratsfähigen Alter.« Sie warf ihm über ihre Schulter hinweg einen Blick zu. »Es ist ihre zweite Saison. Ihr Name ist Cynthia. Sie mag es, wenn man sie Cyn nennt.«
»Und?«, fragte er noch einmal und bemühte sich, sich seinen Ärger nicht in der Stimme anmerken zu lassen.
Sie drehte sich zu ihm um. »Mir fiel gerade ein, dass es ihr gefallen müsste, Gäste zum Tee zu haben. Und ganz besonders, wenn es sich dabei um wohlhabende, geeignete Gentlemen handelt.«
Cynthia. Ließ sich nicht einordnen. Er erinnerte sich kaum an den Earl selbst und noch viel weniger an seine Tochter.
»Ich schätze, ich könnte mit meinem Aufbruch noch bis zur Teezeit warten.« Rue zuckte noch einmal kurz mit den Achseln. »Das würde uns die Gelegenheit geben, vorher noch deine Salbe zu besorgen.«
Er starrte sie an, und in der Sonne sah sie wie ein in Gold getauchtes Mädchen aus.
Ein Mädchen in Männerhosen.
Sie würde es tun. Er konnte versuchen, sie aufzuhalten, aber im besten Fall würde er sie damit gegen sich aufbringen. Und im schlimmsten Fall - Himmel! Er war ihre Feindseligkeiten leid. Er war müde von den Versuchen, sie zu umwerben und sie gleichzeitig im Zaum zu halten. Sie war zu schlau für Schmeicheleien und zu unabhängig, um sich seinem Willen zu unterwerfen, nur weil er es wünschte.
Überraschend wurde ihm klar, dass er nichts anderes wollte, als noch einmal dieses verlockende Lächeln zu sehen.
Kit seufzte. »Du wirst Marlbrokes Livree brauchen.«
»Das ist seine Livree.« Sie zupfte an einem Ärmel aus Kammwolle. »Hat mich drei Pfund gekostet, als ich sie einem Burschen abkaufte, der seine Stellung verloren hatte, weil er der hochnäsigen Tochter des Earls schöne Augen gemacht
hatte. Was glaubst du, warum ich sonst so viel über seine Angelegenheiten weiß?«
»Ist sie hochnäsig?«, fragte er sehr sanft.
»Sie hat mich hinter meinem Rücken eine eingebildete Kröte genannt, als wir uns das erste Mal trafen.« Rue zog den Mantel aus und warf ihn aufs Bett. »Wenn der Läufer unterwegs wäre, um ihre Perlen zu stehlen, würde ich ihm vermutlich dabei helfen.«
Lady Cynthia Meir war die Art von junger Dame, die, wie Kit annahm, ganze Schwärme von wohlhabenden Männern anziehen würde. Auf den ersten Blick hatte ihr Gesicht die schöne, ovale Ernsthaftigkeit einer mittelalterlichen Madonna, mit weit auseinanderstehenden, grünblauen Augen und perfekt gezupften Augenbrauen, die an den Enden nach oben wiesen, was ihr einen Ausdruck von Ausgelassenheit verlieh. Es war leicht zu glauben, dass diese Augenbrauen die wahre Geschichte erzählten, bis einem ihr Mund auffiel. Auch er war schön - wenn sie nicht gerade lächelte. Dann fühlte sich Kit an Melanie erinnert. Auch sie hatte wie eine Katze gelächelt, die vor einem Sahnetopf sitzt.
An jenem Nachmittag wurde Christoff dieses Lächeln häufig zuteil. Sie hatte einen Stängel aus dem kleinen Bouquet von Veilchen und Freesien, das er ihr mitgebracht hatte, gezupft und ihn sich in ihr Mieder geschoben, während all die anderen Gestecke unbeachtet auf einem Beistelltischchen standen. Kit kam sich wie der größte Narr vor, als er zwischen all ihren grünschnäbeligen, jungenhaften Bewunderern saß, wie ein Schulmeister, der von feixenden Schülern umgeben ist.
Sie konnte nicht älter als achtzehn sein. Er nippte an seinem Tee und hielt Ausschau nach Rue, während er sich ernstlich fragte, ob er selbst jemals so jung gewesen war.
Lakaien liefen an den Türen zum Salon im Gang auf und ab, und er hörte murmelnde Stimmen. Zwar spürte er Rues Anwesenheit, der wunderbare Schauder, den sie auslöste, wie Blitz und Wolken, manchmal näher und dann wieder weiter entfernt, wenn sie sich im Haus umherbewegte, doch er spürte keinen anderen Drákon. Noch nicht.
Was für ein lächerlicher Plan. Sein einziger Trost war der Gedanke, dass der Läufer, falls er denn tatsächlich auftauchte, im gleichen Augenblick höchstwahrscheinlich fliehen würde, in dem er Kits Anwesenheit bemerkte. Rue würde einem Schatten hinterherjagen. Sie würde in Sicherheit sein.
Die Zeit schleppte sich dahin. Seine Wade pochte. Er widerstand dem Impuls, seine Uhr aufzuklappen, und verfolgte stattdessen den Schatten, den das am Fenster
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