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Der träumende Diamant 2 - Erdmagie

Titel: Der träumende Diamant 2 - Erdmagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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Reisetasche hinunter. Sie fing sie auf und taumelte zurück, doch einmal mehr stützten sie viele hilfreiche Hände. Als sie erneut aufblickte, war Zane schon zur Hälfte am Abflussrohr abwärtsgeklettert, und in ebenjenem Augenblick, in dem es sich vom Gebäude löste, sprang er mit einem geschickten Satz ab. Das ganze Rohr senkte sich langsam und in einem Bogen zu Boden, bis es auf dem Kopfsteinpflaster aufschlug.
    Zane drängelte sich zu Lia. Er zog seinen Mantel aus und legte ihn ihr um die Schultern, und seine Arme schlang er um ihre Taille. Sie stellte die Reisetasche neben ihren Füßen ab. Dort standen sie gemeinsam mit dem Rest der Menschen und sahen zu, wie das obere Geschoss des Hotels mit ihren Zimmern, ihren Betten, ihren Besitztümern zu Schutt und Asche verbrannte.
    Ihre Hand schmerzte. Sie musste sich am Glas geschnitten haben; über ihren Knöcheln prangte ein blutverklebter Schnitt. Deshalb presste sie die Faust gegen ihre Brust und schloss die Augen gegen den Rauch. Ihr Gesicht hatte sie an Zanes Schulter geschmiegt. Der Wind schnitt wie eine Klinge um ihre bloßen Knöchel.
    Und dann spürte sie es. Der gleiche Schauer auf ihrer Haut, der jedoch nicht von der Kälte herrührte, sondern von etwas anderem - jemand anderem. Ein aufgeladenes, leichtes, sehr, sehr vertrautes Gefühl.
    Das Biest in ihrem Herzen regte sich, grausam und lauernd.

    Lia hob den Kopf. Das war nicht möglich - und doch stand ein anderer Drákon ganz in ihrer Nähe.
    Vorsichtig ließ sie den Blick über die Menschenmenge gleiten und musterte die Gesichter. Sie erkannte die Witwen der vergangenen Nacht, die im zunehmenden Licht faltig und verhärmt aussahen. Ihre Aufpasser flankierten sie. Sie sah die Junker mit ihren roten Augen, gelockerten Halstüchern und schief aufgesetzten Perücken. Sie sah Männer in offenen Jacken, Frauen mit Kopftüchern und eine Gruppe Straßenkinder. Und dort … hinter zwei Kohlenhändlern …
    Es war nur ein Aufblitzen, eine rasche Bewegung, weiße Haut, dunkles Haar. Zwei seltsam farblose Augen trafen ihren Blick. Sie zog sich von Zane zurück, aber es war bereits zu spät. Die Kohlenverkäufer wurden von einem der Männer mit den Eimern beiseitegeschoben, und dann war da niemand mehr hinter ihnen.
    Nur eine schmale Rauchfahne, die emporstieg, wo sie mit dem verhangenen, violettfarbenen Himmel verschmolz.

7
    Obwohl Zane es für höchst unwahrscheinlich gehalten hatte, bekam die Feuerwehr den Brand unter Kontrolle. Inzwischen drang kein Rauch mehr aus den Fenstern der unteren Stockwerke, und der entsetzliche Vorhang aus prasselndem Gelb hinter den verschlossenen Fenstern war verschwunden. Noch immer schrien die Menschen und hasteten hin und her, aber es hatte den Anschein, dass mindestens die Hälfte des Hotels hatte gerettet werden können.

    Die Hälfte. Alles, was von den oberen Geschossen und den Dachböden noch übrig war, war ein Mosaik von Ziegeln und geschwärzten Balkenskeletten, bedeckt mit orangefarbener Glut.
    Zane wandte sich Lia zu. Sie wirkte blass und zutiefst erschüttert. Ihr schwarzgoldenes Haar fiel zerzaust über die Aufschläge seines Mantels, und ein rosenfarbener Schimmer lag jetzt darüber, was der aufgehenden Sonne zu verdanken war. Lia starrte verwirrt in eine andere Richtung; ein Rußstreifen zog sich von ihrem Wangenknochen bis zum Kinn.
    Zane beugte sich vor und flüsterte ihr ins Ohr: »Ich muss wohl zugeben, dass ich nun überzeugt davon bin, dass du die Wandlung tatsächlich nicht willentlich vollziehen kannst.«
    Der Blick, den sie ihm daraufhin zuwarf, war erstaunt, als hätte sie ganz vergessen, dass er da war. Er verbeugte sich und überreichte ihr ihr Kleid, das ihm ein Mann im Vorübergehen in die Hand gedrückt hatte. Es war nass und voller Fußabdrücke, doch unzweifelhaft das, was sie aus dem brennenden Fenster geworfen hatte. Sie starrte auf die Bahnen von Batist und korallenrotem Damast, als hätte sie den Stoff noch nie zuvor gesehen.
    »Lia«, begann er noch einmal und berührte sie an der Schulter, was sie erneut zusammenfahren ließ. Er nahm seine Ärmelrüschen in die Hand und rieb ihr damit den Ruß von der Wange, dann sorgte er dafür, dass sie sich bei ihm unterhakte. »Komm, gehen wir. Komm mit mir mit.«
    Ihre Lippen wirkten sehr rot, ihre Augen waren dunkel. Sie klammerte sich wie im Traum an seinen Arm und lief an seiner Seite durch die Menge der klagenden, nach Qualm riechenden Menschen, ohne nach links oder nach rechts zu
schauen, und in

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