Der träumende Diamant 2 - Erdmagie
der Kälte wurde ihr Atem zu weißen Wölkchen.
Doch nicht nur die anderen Menschen rochen beißend. Auch Zane stank nach Rauch, Amalia, der Himmel und jedes Teilchen der Luft ebenso. Schlacke und Zunder knirschten unter seinen Füßen wie frisch gefallener Schnee; einen Augenblick lang sorgte er sich um Lia, aber als er den Blick senkte, erinnerte er sich daran, dass sie ihre Schuhe rechtzeitig gefunden hatte. Ohne viel Aufhebens stapfte sie durch eine glitschige Pfütze, während der gerüschte Saum ihres Unterkleides anmutig gegen ihre Waden wippte.
Ihre Beine waren lang und bloß. Unter seinem Mantel und unter diesem Hauch von elfenbeinfarbener Seide trug sie überhaupt nichts.
Er sah auf, und mit einem Mal sehnte er sich unbändig nach einem Kaffee.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes befand sich etwas, das wie eine Taverne aussah, vielleicht war es aber auch eine Teestube. Das Gasthaus hatte Fenster mit Mittelpfosten; eine Menschenmenge stand vor der Tür und starrte auf das schwelende Hotel. Einige der Leute hielten Bierkrüge in den Händen. Dorthin führte Zane Lia.
Es war eine Taverne, die im Innern beinahe menschenleer war. Zane entschied sich kurzfristig anders, und er bestellte für sich und Lia Ale statt Kaffee. Dann führte er sie zu einem Tisch in einer Ecke, von wo aus sie die Tür gut im Auge behalten konnten. Er sorgte dafür, dass sie sich hinsetzte, dann ging er zurück zur Bar, um die Getränke für sie beide zu holen. Mit den Gläsern in der Hand drehte er sich um.
Sie saß allein im Licht. Davon gab es nicht viel im Raum, lediglich
die schwachen, trüben Strahlen, die durch die nahen Fensterscheiben drangen. Es war ein Schein, der nur wenig Farbtöne hervorzauberte, und alles um Lia herum blieb staubig, braun und trübe. Lia jedoch leuchtete. Ihr Haar war madonnengleich gelöst, und in ihrem Schoß lag das jetzt überflüssige Kleid. Sie sah rosig aus mit ihrem goldglänzenden Haar und saß aufrecht wie ein Soldat auf ihrem Stuhl. Ihr Gesichtsausdruck war nachdenklich und abwesend. Noch immer konnte er die schwachen Rußspuren auf ihrer Wange sehen, die er nicht vollständig abgewischt hatte.
Irgendetwas in ihm regte sich. Er fühlte sich sonderbar, beinahe benommen. Die ganze Welt schien sich zu drehen, und die Zeit kam langsam und zähflüssig wie Sirup zum Stehen. Alles verharrte in einem Schwebezustand. Staubflocken. Stimmen. Sein Herzschlag. Nur Lia bewegte sich. Sie nahm einen langen, tiefen Atemzug, ihre Brust hob sich, ihre Lippen öffneten sich leicht, und er dachte mit sinkendem Mut: O Gott .
Er wollte sie. Nicht irgendwie und irgendwann. Er begehrte sie zutiefst und wollte sie jetzt sofort. Hier. Er wollte ihre Haare berühren, ihre Haut schmecken und den Duft von Rauch und Rosen einsaugen, der ihm von ihrem weichen, süßen Körper aufzusteigen schien. Er wollte seine Hände unter den Mantel führen und die Rundung ihrer Taille fühlen, das Gewicht ihrer Brüste spüren und jeden zarten Zentimeter ihres Körpers erkunden. Er wollte ihre Lippen zerbeißen und ihre Arme festhalten und in sie eindringen. Heiße, drängende Lust durchfuhr ihn mit einem Mal, so machtvoll und überwältigend, dass Zane das Einzige tat, was ihn noch an Ort und Stelle festhalten konnte: Er nahm einen tiefen Zug aus seinem Humpen.
Dann schloss er die Augen und dachte an ihre Eltern und was geschehen würde, wenn sie es erfahren würden.
Er hatte gesehen, was die Drákon den Leuten ihres eigenen Volkes antaten, wenn diese die Gesetze des Stammes missachteten. Er hatte den Ort gesehen, an dem sie die verlorenen Seelen begruben. Rue hatte ihn einst in einer Winternacht dorthin gebracht, als er noch jünger und weitaus sorgloser gewesen war. Vor seinem geistigen Auge stieg das unheilvoll hügelige Feld auf, die geschwärzte Erde.
Dies ist der Ort, wo unsere Ausgestoßenen liegen , hatte sie ihm erklärt, und das Mondlicht hatte tiefe Schatten auf ihr Gesicht gemalt. Dorthin werden die Knochen nach dem Verbrennen geworfen .
Die Drákon befolgten Regeln, die ihrerseits mit anderen Regeln verwoben waren. Ihre Gesellschaft war uralt und feudal, und Zane gab sich keinen Illusionen hin, was seine eigene Stellung innerhalb dieses Systems betraf.
Er verdankte sein Leben der Marquise. Dass er heute noch nicht tot war und in dieser nasskalten Taverne saß, lag einzig und allein daran, dass er nützlich war.
Du teilst ein großes Geheimnis mit uns. Schicksalsfäden liegen in deiner Hand . Sie
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