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Der träumende Diamant 2 - Erdmagie

Titel: Der träumende Diamant 2 - Erdmagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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Dinge auf kürzerem Weg zu erledigen.
    Er schlüpfte um die aufgebrachte Ansammlung herum in einen beinahe menschenleeren Flur, wo er suchte, bis er die Tür fand, von der er gewusst hatte, dass sie dort ganz in der Nähe sein würde: klein, schlicht und verschlossen. Die Dienstbotentreppe.
    Niemand folgte ihm. Niemand sah ihn verschwinden. Niemand sah es, als er leise die Tür hinter sich schloss, sie wieder zusperrte und geräuschlos die schmalen Stufen hinaufhuschte.
    Selbst die gerissensten Verbrecher konnten Spuren hinterlassen. Dies war eine Lektion, die Zane schon früh in seinem Leben gelernt hatte. Ein Mann, der zu selbstbewusst oder zu gierig war oder auch einfach zu faul, war ein Mann, der Fehler machte.

    Fehler konnten nach Newgate führen oder zum Galgen. Fehler konnten einen Namen offenbaren.
    Die oberste Etage des Hotels war zerstört und nun dem Sonnenlicht, Wind und Wetter ausgesetzt. Warme, geschwärzte Balken zerfielen unter seiner Berührung. Er traute dem versengten Boden dessen, was einst der Flur gewesen war, nicht; das Holz war dünn und gesplittert. Vorsichtig verlagerte er sein Gewicht, sodass er beinahe bis zu der Stelle kam, an der sich sein Zimmer befunden hatte. Dort fiel sein Blick auf etwas Seltsames. Etwas Langes, Rundes, Schwarzes, das glänzte.
    Es war eine Flasche, und sie war das Einzige, was hier fehl am Platz war.
    Er wollte näher heran. Mit den Händen griff er nach den freigelegten Türstürzen und schwang sich wie ein Affe von Balken zu Balken, und auf diese Weise gelang es ihm, kurz vor der Flasche zu landen. Doch ein breites Loch mit gezackten Rändern trennte ihn von ihr.
    Zane streckte sich. Er war groß und geschmeidig. So weit er konnte, beugte er sich vor, und mit den Fingerkuppen gelang es ihm, die Flasche zum Rollen zu bringen, um sie aufzufangen, als sie eben durch die Öffnung im Fußboden zu verschwinden drohte.
    Dann richtete er sich auf und hielt sie ins Licht.
    Es hatte mal ein Etikett gegeben, aber das war verbrannt. Doch er hätte es gar nicht zu lesen brauchen. Zane erkannte die Form der Flasche, die ungewöhnliche, zimtrote Färbung des Glases unter dem Ruß, den verjüngten Hals und den verschlossenen Ausguss. Einst hatte sie sehr guten spanischen Sherry enthalten.
    Seinen Sherry.

    Welcher sich zweifelsfrei in seinem Truhenkoffer befunden hatte, der seinerseits in seinem Zimmer eingeschlossen gewesen war.
    Zane sah sich um. Der Koffer war verschwunden, ebenso wie die Tür, das Bett und die Vorhänge. Das Einzige, was in seinem Raum noch immer erkennbar war, war der anmutige Bogen des Fensters, dessen Schiebeteil noch immer an der Stelle verblieben war, an der er ihn letzte Nacht befestigt hatte, um den Staub aus der Luft zu bekommen.
    Alles andere war verkohlt.
    Und jeder andere, der an diesem Morgen zu fest geschlafen hatte, war ebenfalls zu Asche geworden.
    Lia, dachte Zane, und er drehte sich um und machte sich auf den Weg zu ihr.
     
    Natürlich hatte er seine Reisetasche gerettet, weil sich all das Geld darin befand. Lia hätte das nicht überraschen sollen. Es gab keinen Grund, verärgert oder enttäuscht zu sein. Und doch verspürte sie all diese Regungen, selbst dann noch, als der Dieb die Augenbrauen hob und murmelte: »Wollen wir ein Geschäft suchen, in dem wir neue Kleidung für dich erstehen können? Du bist herzlich eingeladen.«
    Aber es ließ sich keine Schneiderin finden, nicht einmal in der wohlgeordneten Hektik des Platzes im Zentrum. Als er zur Taverne zurückgekehrt war, hatte sie sich bereits das Blut von den Händen und Knien gewaschen und ihr Haar zu einem losen, herabfallenden Knoten geschlungen. Doch sie war nun gezwungen, auf den Gehwegen von Jászberény den Rock ihres Kleides mit beiden Händen zu raffen. Ohne die Reifen ihres Unterrocks zog sie den zusätzlichen Stoff wie eine Hochzeitsschleppe hinter sich her.

    Gemeinsam machten sie in der Nähe des Hoteleingangs halt, wo sie zusahen, wie die Menschen schlafwandlerisch hinein- und heraustraten, als hätte das Feuer ihren eigenen Willen ebenso ausgehöhlt wie das Gebäude.
    Sie wusste, dass es Zane hierhergezogen hatte. Als er zu ihr zurückgekommen war, hatte er Ruß an seinen Kniebundhosen und Händen gehabt.
    Lia legte den Kopf in den Nacken, um zu sehen, wo einst ihre Räume gelegen hatten, von denen nur noch die Fensterrahmen in den Himmel starrten.
    Der Tag war inzwischen strahlend und hellblau. Es gab keine Spur von Wolken, und selbst die letzten, dünnen

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