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Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie

Titel: Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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wahrscheinlich auch, also musste sie, bereits in ihrer Mitte verborgen, noch näher an sie gelangen, um sie mit Erfolg zu meiden.
    Sie hatte an diesem Morgen einen funkelnden Meereskanal überquert. Maricara wusste nicht, wonach diese englischen Drachen suchten, und im Augenblick kümmerte sie das auch nicht. Ihr Körper schmerzte, jedes Gelenk und jede Sehne. Als Art verfügten die Drákon über außergewöhnliche Stärke, aber sie war über Wochen hinweg bis an ihre Grenzen gegangen, nur um diesen Ort zu erreichen. Es erschien ihr ungerecht, aufgeben zu müssen, wo sie ihrem Ziel doch so nahe war.
    Maricara hielt sich keineswegs für eine Närrin. Die Engländer hatten Gesandte zu ihrem Zuhause geschickt trotz ihrer wiederholten Anweisung, sich fernzuhalten. Seit Jahren hatten sie darauf gedrängt, ihr Reich zu betreten, um dann offenbar zu beschließen, nicht länger auf eine Einladung zu warten. Sie würde nicht einfach in ihre Mitte spazieren und um eine Audienz beim Alpha nachfragen, diesem Kimber-Grafen. Sie brauchte die Überraschung auf ihrer Seite. Sie brauchte jeden Vorteil.
    Nachdenklich grub Maricara eine einzelne Kralle in den
Granit, und zwar tief genug, um den Stein zu spalten, während sie ihre Möglichkeiten abwog.
    Sie würde schnell sein müssen. Und so leise wie möglich. Und sie würde sehr, sehr hoch über ihnen fliegen müssen, hoch genug, um mit der Unendlichkeit des Firmaments zu verschmelzen für den Fall, dass jemand nach oben blickte. Und sie hatte einen Vorteil: Durch eine glückliche Fügung des Schicksals war Maricara ihres Wissens der einzige Drache ohne jede Farbe. Selbst die Wesen, die den Himmel vor ihr durchpflügt hatten, leuchteten glänzend wie Maibänder im Licht.
    Aber sie … sie war aus Raum und Sternen geformt, ihre Schuppen aus glitzernder Jet-Kohle, und ihre Augen, ihre Mähne und die nackten Spitzen ihrer Flügel brannten silbern.
    Im Schutz des Felsens vollzog sie die Wandlung zum Menschen, verschlang den Rest ihres Brotes und die letzten dünnen Scheiben des Camemberts, der in ihren Händen schmolz. Sie leckte sich die Fingerspitzen sauber, lehnte sich nackt gegen die Flechten und beobachtete die weit entfernt dahinfliegende Patrouille.
    Nachdem sie ihnen eine ganze Stunde lang zugeschaut hatte, war sie in der Lage, ihre Muster zu erkennen und vorherzusagen, wohin sie ihre Schleifen zogen und abtauchten und wohin der Wind sie trug. Sie waren gut organisiert und eng miteinander verbunden, aber man merkte der Gruppe keine wirkliche Eile oder Dringlichkeit an. Falls sie jagten, dann hatten sie ihre Beute noch nicht erblickt, und allem Anschein nach konzentrierte sich ihre Suche auf das Gebiet unter ihnen. Sehr gut. Wenn sie Glück hatte, dann behielten sie die Köpfe unten und den Blick auf die Erde gerichtet.
    Wenigstens war ihr Koffer dunkel - was mitnichten dem Zufall entsprang.

    Maricara stand auf und wischte sich Brotkümmel vom Bauch. Sie bedachte die englischen Drákon mit einem letzten Blick, verwandelte sich, nahm ihren Koffer auf - der Griff fühlte sich wie ein Teil eines vertrauten Zaumzeugs an - und schwang sich hoch und in die Nacht.
    Die Luft hier in England war dicker als in den Karpaten und viel feuchter. Ihre Flügel schlugen dagegen an. Die Luft saugte fest an ihren Zähnen. Es war nie angenehm, einen direkten Aufstieg nach oben zu unternehmen, aber ihr blieb keine Wahl. Sie stieg höher und höher, bis ihre Lungen pfiffen und ihre Klauen sich öffneten, krampfhaft um nichts schlossen und am Wind kratzten.
    Als sie den Scheitelpunkt ihres Aufstiegs erreichte, war der Boden nur noch eine weit entfernte, verlockende Wölbung aus zerzauster Dunkelheit, und die Drachen unter ihr wirkten wie kleine Spielzeuge und wattige Flecke. Maricara nahm einen letzten, gewaltigen Atemzug, zielte, zog die Schwingen eng an den Körper und ließ sich nach unten fallen.
    Sie hatte eine einzige Chance. Es gab eine geeignete Stelle, ein kleines, unbewachtes Quadrat von Luft zwischen einem nach links abbiegenden gelben Drachen und einem flaschengrünen, der in einem Bogen nach rechts herumschwenkte. Das Quadrat würde für zwölf kurze Sekunden offen sein. Wenn sie es bis dahin nicht geschafft hatte, würde man sie ohne Zweifel entdecken.
    Beinahe lautlos fiel sie nach unten. Die Engländer woben ihre Pfade durch die Luft, ruhig und rhythmisch, gelber Drache, flaschengrüner Drache. Der Koffer drückte wie ein Eisengewicht gegen ihre Zähne, ihr Magen hob sich. Anderthalb

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