Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie
Schachbrettmuster verlegten Bodenkacheln. Oberlichter aus sauberem, poliertem Glas erleuchteten die Gänge und ließen die Nacht herein. Kimber mied die helleren Stellen. Er stahl sich durch die Schatten zu der prächtigen Treppe, hielt an, um zu lauschen, hörte aber
nichts außer dem üblichen, entfernten Schnarchen und dem Krachen und Stöhnen der Holzbalken, die in der Dunkelheit abkühlten.
Aber er irrte sich nicht. Trotz allen Schutzes, trotz aller Wachsamkeit war in Chasen eingebrochen worden.
Ja , murmelte der Drache, reckte sich und wuchs. Gefahr. Zerstöre sie.
Er bewegte sich ohne jedes Geräusch. Seine Zehen ertasteten die erste Stufe die weiße Marmortreppe hinunter, dann die nächste. Er erreichte schnell den Fuß der Treppe und verschmolz wieder mit den Schatten.
Der Geruch, die Wellen frischer Macht kamen aus dem Musikzimmer.
Er fragte sich kurz, wo Rhys sein mochte und weshalb er die Bedrohung nicht ebenfalls gespürt hatte, aber es blieb keine Zeit, ihn zu wecken. Inzwischen war die stechende Woge fast elektrisch, die Reibung von schwarzen Gewitterwolken gegen den Äther bemerkenswert stark. Er näherte sich der offenen Tür und spähte, den Rücken zum Holzrahmen gedreht, hinein.
Schwaches Mondlicht floss noch immer durch die Fenster und zeichnete schwarze, blaue und holzkohlefarbene Muster auf den Boden. Er erkannte die gefrorene Eleganz von Drapierungen, Teppichen und der cremefarbigen Achatumrandung des Kamins, das Fortepiano - der Raum schien leer zu sein. Das Feuer war zu einem Häufchen Asche niedergebrannt. Es gab nicht einmal Staubkörnchen, die sich in der Zugluft bewegt hätten. Der einzige Laut kam von der sehr laut tickenden Uhr, die oben auf dem Schrank in der Ecke stand. Der metallisch mattblaue Schimmer ihrer grinsenden Engelchen war gerade noch zu erkennen.
Die Luft war drückend. Die Hitze, die lebendige Reibung,
das Stechen gegen seine Haut. Er brannte innerlich, und das Gefühl dehnte sich aus. Der Drache wand sich, um freizukommen und Blut zu schmecken.
Kimber stand reglos da. Er wartete.
Und in der schwärzesten aller Ecken sah er endlich das, was er gespürt hatte, eine leichte, schwache Bewegung, die beinahe mit der Nacht verbunden zu sein schien, da sie ebenso sinnlich und seidig langsam wirkte. Die Bewegung löste sich auf zu einer Schulter, einem blassen, nackten Arm. Dann sah er die Biegung eines Halses, Wangenknochen und Lippen, eine Woge vom Mondlicht beschienenen Haars, dunkel bewimperte, erstaunlich klare Augen - Augen wie Wasser, wie die Nacht -, die ihn ohne Blinzeln beobachteten.
Eine Frau.
Und jetzt wurde der Drache zu einem Ausatmen, das hart zwischen seinen Zähnen hindurchzischte.
Großer Gott … Was zur Hölle …
»Ich weiß, wer Sie sind«, sagte die Frau auf Französisch. Ihre Stimme klang leise und melodiös und sandte neue Schauer über seinen Rücken. Sie zögerte, dann kam sie näher. Vor dem Hintergrund des pedantisch polierten Fortepianos erkannte er, dass sie keine Kleider trug. »Kennen Sie mich, Graf Chasen?«
Er machte unwillkürlich einen Schritt nach vorn. Tausend Geschichten rasten ihm durch den Kopf, Erklärungen, Entschuldigungen. Hier konnte es nur eine Antwort geben, nur eine Frau auf der Welt, die sich unbemerkt in sein Haus stehlen konnte …
Sie hob eine zur Faust geballte Hand. Ohne den Blick von ihm zu wenden, öffneten sich ihre Finger, und sie drehte die Handfläche nach unten. Zwillingsblitze von Metall fielen
auf den Teppich, hüpften gedämpft klirrend von den gewebten Blumen hoch und rollten dann davon.
Sie hatte Ringe zu Boden fallen lassen, ein Paar davon. Siegelringe.
Stammesringe. Genau wie jene, die Jeffrey und Luke und Hayden getragen hatten.
Kimber bohrte seinen Blick in den ihren.
»Ich habe ein Geschenk mitgebracht, wie Sie sehen.« Die Prinzessin Maricara lächelte ein dünnes, eisiges Lächeln. »Aber vielleicht können wir dies hier zu einem Austausch machen. Gibt es etwas, das Sie mir erzählen wollen?«
Maricaras Erfahrungen mit den Anderen hielten sich stark in Grenzen. Sie kannte die Bauern ihres Landes - kannte sie sogar gut, denn sie hatte einst unter ihnen gelebt, obwohl die Manifestation ihrer Gabe sie abgesondert hatte.
Sie kannte die zu Besuch weilenden Priester, die gelegentlich den Versuch unternahmen, ihren Berg zu erklimmen und ihren Leuten zu predigen. Nach ein paar Wochen mit wilden Alpennächten zogen sich diese Männer fast immer zurück in den sicheren Schutz ihrer
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