Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie
bemühte.
Es sah so aus, als hätten seine Eltern bei ihrer Flucht eine Tür nach draußen offen gelassen, und mehr und mehr Mitglieder von Kimbers Stamm schauten hinaus auf die Menschenwelt und fragten sich: Was wäre, wenn ?
Maricara, jung und zügellos und von diesem Draußen stammend, war wie ein Sturmwind durch die Öffnung eingedrungen, und alle hatten sich dort versammelt.
Er musste die Tür schließen, verriegeln, bevor es zu spät war.
Die Engländer waren ein Volk, das alles Pastellfarbene liebte. Das war Maricara in diesem Land am stärksten aufgefallen, abgesehen von der stickigen Luft: die Farben. Wände, Möbel, Kleider und Kniehosen, selbst der Schmuck, alles war blass und schwächlich, so unauffällig wie gekochte Hafergrütze am Morgen. In Transsylvanien - selbst Ungarn oder Österreich - scheute sich keiner vor Scharlachrot oder Schwarz. Mode bedeutete Vergnügen, gesättigte Farben bedeuteten
Leben. In ihrer Robe aus geschmeidigem, kakaofarbenem Satin, mit ihren Saphirarmbändern, den Spangen aus gelben Diamanten in den ungepuderten Locken schlug Maricara die Zeit in dem modischen Seekurort, den sie als Zufluchtsort ausgewählt hatte, tot wie ein Panther in einem Garten voller sanfter Tauben.
Die anderen Gäste hier wussten selbstverständlich nicht, dass sie ein Panther war. Aber der Mann, der gerade durch die zum Innenhof führende Tür aus vergoldetem Holz und Glas schritt, war sich dessen sehr wohl bewusst.
Er zögerte einen Augenblick, als ihn einer der dort postierten Diener mit einer Verbeugung abfing. Vom Strand drunten schwebte eine Brise herauf, schwer von Salz und Sand. Sie hob die Schöße seines salbeigrünen Rocks, wehte lose Strähnen aus Gold gegen seine Krawatte. Wie sie, so hatte auch er sich nicht die Mühe gemacht, eine Perücke aufzusetzen.
Der Graf Chasen übergab dem Diener Handschuhe und Hut, ohne den Mann anzuschauen. Sein Blick schweifte über die Palmwedel und gewundenen Reben der kunstvoll arrangierten Topfpflanzen zu Maricara an ihrem Tisch. Sie ruhte auf einer Chaiselongue unter einem weizenfarben und weiß gestreiften Sonnenschirm, dessen großer, quadratischer Schatten sie - und den Tisch voller Delikatessen, die sie bestellt hatte - vor den Strahlen der Mittagssonne schützte.
Sie lächelte ihn an und hob eine Hand. Die Saphire an ihrem Handgelenk glitzerten in Reihen über Reihen von facettiertem blauem Glanz.
Er machte sich daran, sich an den anderen Gästen vorbei zu ihr zu schlängeln. Die Blicke von Männern und Frauen gleichermaßen musterten ihn, als er vorbeiging, und ein aufgeregtes Flüstern folgte ihm. Selbst der Geiger des Musikertrios, das in einer Ecke eine Sonate spielte, kam für einen Augenblick
aus dem Takt, als der Graf an ihm vorbeikam. Er gehörte unmissverständlich zur Aristokratie, sah prächtig und wohlhabend aus, selbst in den Augen dieser derben, bunten Menge. Damen fächelten sich eifrig die erhitzten Gesichter, Herren spannten unter den schmiedeeisernen Tischen die Schenkel an und schnauften - Pfaue, die versuchten, größer zu wirken, als sie es tatsächlich waren.
Sinnlos , dachte sie. Kimber Langford überstrahlte sie alle, noch dazu ohne die geringste Absicht.
» Bonjour «, begrüßte sie ihn immer noch lächelnd. »Ein wunderschöner Nachmittag, nicht wahr? Ich habe entdeckt, wie sehr mir das Meer gefällt.«
»Ihre Hoheit«, sagte er und verbeugte sich, ein elegant geformtes Bein nach vorn gestellt, auf eine Art, die einer wirklichen Prinzessin alle Ehre gemacht hätte. »Es ist mir tatsächlich eine Freude, Sie erneut zu entdecken.«
»Sie sind sehr freundlich. Bitte, setzen Sie sich doch. Darf ich Ihnen Tee anbieten?«
Er ließ sich in dem Stuhl nieder, auf den sie wies. Sein schönes Gesicht blieb ausdruckslos, während seine Augen wach und in gefrorenem Grün blitzten. »Nein.«
»Nein? Du liebe Güte. Ich habe eine ganze Menge Essen für Sie bestellt, und das war gar nicht so leicht auf Französisch, das kann ich Ihnen versichern. Dies hier ist ein schockierend provinzieller Ort. Ich fürchte, dass allein der Kaviar Sie mindestens fünf Pfund kosten wird. Es wäre jammerschade, ihn verderben zu lassen.«
Er schenkte ihr ein Lächeln, das allerdings nicht bis zu seinen Augen reichte. »Sie haben für mich mitbestellt? Wie außerordentlich aufmerksam, wenn auch ziemlich gewagt. Vor allem deshalb, weil Sie nicht ahnen konnten, wann ich kommen würde.«
»Graf Chasen«, erwiderte sie herzlich, »ich habe vor
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