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Der träumende Kameltreiber (German Edition)

Der träumende Kameltreiber (German Edition)

Titel: Der träumende Kameltreiber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amor Ben Hamida
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Handbewegung.
    Ich musste wissen, wer diese Heidi war, bevor ich mich auch nur setzte. Und sie erzählte mir:
    ‚Ich benutze dieses Appartement, wenn ich in Italien auf Geschäftsreise bin. Mein Vater besitzt eine Schokoladefabrik in Zürich, kann aber außer Deutsch kein Wort einer anderen Sprache. Ich hingegen kann fünf Sprachen sprechen und so reise ich für meinen Vater und verkaufe seine Süßigkeiten an große Importeure.’
    Ich glaube, mein Mund war schon wieder offen, als sie mir sagte, sie führe in drei Tagen wieder nach Hause. Ich wusste nicht, ob ich mich auf die drei Tage freuen oder über ihre baldige Abreise trauern sollte. Danach sagte sie höflich, ich solle duschen gehen. Oh ja, das sollte ich, denn seit Tagen hatte ich kein Wasser an meinen Leib lassen können. Ich hatte aber nichts zum Rasieren. Als ich meinen Dreitagebart mit der Hand begutachtete, lachte sie nur und sagte: ‚Das steht dir gut, wir gehen aber morgen Rasierzeug kaufen.’
    Ich nahm die wohl angenehmste, längste, heißeste Dusche meines Lebens. Von Kopf bis Fuß schäumte ich mich mehrmals ein und ließ den Dreck meines Körpers und meiner Seele den Abfluss hinunterfließen. Ich hatte keine frische Unterwäsche dabei und da konnte ich ja wohl kein entsprechendes Zeichen machen wie mit dem Bart. Heidi kam mir zuvor und sagte auch dazu: ‚Morgen kaufen wir Wäsche ein.’
    Ich verstand nicht, was diese Märchenfee mit mir vorhatte, warum sie mir half; sie hätte mich nach der ohnehin äußerst freundlichen Einladung zum Essen oder spätestens nach der umso freundlicheren Erlaubnis zum Duschen wegschicken können. Stattdessen bereitete sie mir in einem ihrer Zimmer ein Bett vor. Wir redeten nicht mehr so viel an jenem Abend, es war gegen zweiundzwanzig Uhr. Heidi sagte mir, dass sie am nächsten Tag einige geschäftliche Meetings in Milano hätte. Sie würde mit ihren Kunden essen. Sie zeigte mir Geld, das auf einem kleinen Tischchen lag. Ich solle mich einfach bedienen und essen gehen. Sie wäre dann gegen sechzehn Uhr wieder da und dann würden wir mal das Nötigste einkaufen gehen. Ich verstand immer noch nicht, wieso sie dies alles tat für einen immer noch unrasierten Berber, der ihr die Wohnung hätte ausräumen können. Sie zeigte mir dann die Kaffeemaschine und den Kühlschrank. Darin lagen besonders viele kleine Muster von Schokolade. Nicht wie unsere. Nicht Tafeln, dunkel und bitter. Kleine Häppchen, rund, rechteckig, dreieckig, weiß, hell, in verschiedenen Brauntönen, mit Nüssen, Pistazien, kandierten Früchten. Unmengen von Variationen. Neben dem Kühlschrank stand ein kleiner metallener Koffer, er war offen und ich erkannte, dass sie darin ihre Müsterchen verstauen würde, wenn sie dann unterwegs wäre. Es war – glaubt es mir oder glaubt es nicht – ein tragbarer Kühlschrank!
    Dann wünschte sie mir gute Nacht und fuhr mit ihrer zarten Hand an meinem Arm entlang, von der Schulter bis zum Handgelenk. Gott, hat mich diese Berührung elektrisiert. Ich konnte nur noch ,buona notte’ stottern und verschwand dann ins Zimmer.
    Ich glitt unter die samtweichen Laken und Decken, die nach Jasmin dufteten und schlief, Allah ist mein Zeuge, wie ein Kind, das den ganzen Tag gerannt war. Kein Traum, kein Aufschrecken, keine Panik wie in der Nacht im Wald.
    Am nächsten Morgen schlief ich aus. Es war Freitag, fand ich endlich heraus, nachdem ich tagelang nicht mehr gewusst hatte, was für ein Datum war. Ich machte mir einen italienischen Kaffee, aß ein Stück Brot mit Butter und feinster Konfitüre, trank noch ein Glas Milch und ging aus dem Haus. Einen Schlüssel hatte mir Heidi auf die Kommode gelegt. Ihr Geld ließ ich selbstverständlich liegen. Wer war ich denn? Ein Parasit? Bei aller Hilfsbereitschaft dieser Frau, ich hätte das alles für sie nicht gemacht. Wie hätte ich sie ausnehmen können? Ich hatte ja noch ein paar Euro. Die kleine Stadt wartete auf mich, sie war nicht so ausgeschlafen wie ich, und darum dachte ich, ich würde sie an jenem Vormittag mit meiner Frische und meiner Zuversicht beglücken.
    Als ich aus der Haustür kam, befand ich mich in einer lauten, lebenden, pulsierenden Stadt: Autos, Züge, Trams und Busse. Wisst ihr, was Trams sind? Das sind keine richtigen Züge, aber auch keine U-Bahnen, die ihr vielleicht von Erzählungen aus Paris kennt. Das sind schmalspurige Bahnen, die nur innerhalb einer Stadt fahren. Ich hatte keine Ahnung, was sie kosteten, und daher nahm ich das günstigste

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