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Der träumende Kameltreiber (German Edition)

Der träumende Kameltreiber (German Edition)

Titel: Der träumende Kameltreiber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amor Ben Hamida
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über Krebs. Meinen Vater hatte diese heimtückische Krankheit innerhalb kürzester Zeit dahingerafft.
    ‚Mein Vater starb an Krebs’, antwortete ich geistesabwesend. ‚Das tut mir leid. Mutter wird behandelt, von einem der besten Spezialisten der Welt. Sie ist tapfer. Aber sie hat sich auf alles vorbereitet.’
    Ich nahm Heidis Hand, als ich sah, wie sehr es sie bestürzte, dass ihre Mutter an einer solchen Krankheit leiden musste. Ihre Augen wurden feucht. Sie wischte sich eine kleine Träne von der Wange und lächelte. ‚Morgen zeige ich dir die Fabrik, den Laden, das Café und mein Büro. Ich arbeite bis nachmittags und dann verschwinden wir.’
    ‚Verschwinden? Wohin?’
    ‚Sie haben gutes Wetter und feinsten Neuschnee angekündigt. Wir gehen drei Tage nach Klosters. Ich zeige dir, wie man Ski fährt.’
    ‚Nur du und ich?’
    ‚Nur wir zwei. Wir haben dort eine Ferienwohnung.’
    Ich setzte mich etwas auf und schaute ihr in die Augen: ‚Warum machst du das alles für mich, Heidi? Was bezweckst du? Ich bin ein einfacher Kameltreiber, der auf Arbeitsuche ist, und du bist eine schöne, reiche Frau. Was haben wir schon gemeinsam? Warum gehst du nicht mit einem Cousin Ski fahren? Warum tust du das?’
    ‚Ich weiß nicht. Schlaf jetzt. Morgen haben wir einen anstrengenden, interessanten und abwechslungsreichen Tag.’
    Sie beugte sich zu mir und küsste mich auf die Wange. Gefährlich nahe an meinem Mund lagen ihre zarten, warmen Lippen, ihr langes, duftendes Haar bedeckte mein ganzes Gesicht. Ich hielt mit beiden Händen die Daunendecke fest, damit mir die Hände nicht außer Kontrolle gerieten, und erstarrte.
    Als sie aus dem Zimmer schlich, mit einem vielversprechenden, geheimnisvollen Lächeln, wurde mir klar, was nun anfing: eine Liebesgeschichte. Ich empfand etwas, was ich nie zuvor in meinem Herzen gespürt hatte. Ich konnte es nicht beschreiben. So, dachte ich, muss also das Glück sein! Ich träumte die ganze Nacht. Und wenn man mich im Schlaf beobachtet hätte, wäre dieses Lächeln in meinem Gesicht die ganze Nacht lang sichtbar gewesen. Darum, Freunde, nannte ich später diese drei Tage in Zürich die Tage des Königs, denn ab jenem Montag war ich nicht mehr nur der Prinz, ich stieg zum König auf und meine Prinzessin wurde meine Königin!
    Wir besuchten die kleine, aber feine Fabrik ihres Vaters, wo alle einen weißen Kittel, Handschuhe und Kopfbedeckung trugen. Es war so sauber in diesen Räumen, dass du nur den wunderbaren Geruch der Schokolade und der gebrannten Haselnüsse riechen konntest. Ich glaube, sie nahmen sogar ein Mittel gegen die menschliche Ausdünstung. Im Laden standen Verkäuferinnen mit einem Lächeln da, das dich geradezu zwang zu kaufen. Sie sahen alle gleich aus, trugen eine Art Uniform und waren geschminkt, als
    wenn sie in einem Damensalon arbeiteten.
    Nach diesem ereignisreichen Vormittag nahmen wir ein exquisites Mittagessen in einem altehrwürdigen Gebäude mit modernem Restaurant ein. Es liegt direkt am Paradeplatz. Wenn du dort stehst und in Richtung Bahnhof, nicht Richtung See, blickst, dann ist es das dritte oder vierte Haus rechter Hand. Wisst ihr, wir modernisieren hier alles, reißen das Alte ab und bauen neuzeitliche Gebäude auf. Sie hingegen versuchen, die alte Architektur zu bewahren, indem sie sanft renovieren, sie sind imstande, in einem alten burgähnlichen Haus ein topmodernes Restaurant einzurichten, ohne den Charme des Alten zu übertünchen. Sie stehen eben zu ihrer Vergangenheit. In diesem Restaurant schienen alle Heidi zu kennen und die meisten fragten sie leise nach mir. Sie antwortete immer mit einem liebevollen Lachen, das mich beruhigte. Ich wusste, diese Frau liebte mich, wie ich sie liebte. Ich ließ sie nun nicht mehr los mit meinen Blicken, ich sparte sogar nicht mehr mit meinen Berührungen, die sie immer zärtlich erwiderte. Am Nachmittag führte sie noch ein paar Telefonate, während ich meiner Mutter einen Brief schrieb. Eine meiner Schwestern würde ihn ihr vorlesen.
    Geliebte Mutter!
    Dein Sohn ist im siebten Himmel. Und der Weg dorthin war alles andere als einfach. Nach einer Irrfahrt durch die Wüste kam ich nun zu diesem Leben spendenden Brunnen. Ich trinke das Wasser des Lebens, ohne zu wissen, wann es ausgehen wird. Ich weiß nicht, was nach dieser wohltuenden Rast kommen wird. Ein Mensch begleitet mich auf diesem Weg, jemand, der nichts von meiner Wüste weiß, keine Steppe und keinen Durst kennt. Aber dieser Mensch ist der

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