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Der träumende Kameltreiber (German Edition)

Der träumende Kameltreiber (German Edition)

Titel: Der träumende Kameltreiber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amor Ben Hamida
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Französisch lernen. Er wohnte bei einer Gastfamilie, deren Oberhaupt ein Patissier und Chocolatier war. In Neuchâtel gab es viele Schokoladespezialisten und so lernte er das Metier. Sein Lehrmeister, Maître Chocolatier Henri Dupuis, sah sofort sein Talent und förderte ihn. Er gab ihm Nachhilfe und unterstützte ihn auch, als er – wieder in der Heimat Zürich – in seinem Keller mit einfachen Mitteln die ersten eigenen Kreationen entwickelte. Das vielfache Mahlen der Kakaobohnen, die Zusammensetzung der verschiedenen Ingredienzien, die Qualität der Milch und ihr Fettgehalt, alles das spielt eine Rolle. Was wir hier essen, nennen sie dort Kochschokolade und benutzen sie lediglich für die Glasur von Kuchen.
    Dann lernte er seine Frau kennen, Tochter eines lokalen Kleinindustriellen, der ihm auch unter die Arme griff und mit ihm einen kleinen Laden am Paradeplatz eröffnete. Der Paradeplatz ist der teuerste Platz in Zürich. Und Zürich ist die teuerste Stadt der Schweiz und die Schweiz der teuerste Platz der Welt! Also kam ich von der armseligen, nordafrikanischen Steppe in den prächtigsten Winkel der Erde. Der Laden des alten Herrn lief von Anfang an auf Hochtouren. Heute bestellen bei ihm Könige und Präsidenten. Auch arabische Scheichs lassen sich von ihm eigens für ihren Geschmack entworfene Süßigkeiten senden, mit Dattel- oder Feigenextrakt.
    Seine Augen leuchteten und waren feucht vor Erinnerung. Ein zufriedener Mann, der es von bitterer Armut zu enormem Reichtum geschafft hatte. Ein Mann voller Stolz und ohne Gram. Einer, der der Welt verziehen und seinen Frieden gefunden hatte.
    Dann musste Heidi mit ihrem Vater ein paar geschäftliche Dinge besprechen, wahrscheinlich wegen der Italien-Reise. Ich setzte mich zur alten Dame und trank mit ihr einen Früchtetee. Das ist bei Weitem nicht dasselbe wie das Gebräu unseres Freundes Mansour hier, aber weitaus gesünder, das könnt ihr mir glauben. Könnt ihr euch einen Tee vorstellen, der keinen Tee beinhaltet? Sie nennen ihn einfach so. Es sind getrocknete Früchte und Blüten, die sie kurz mit heißem Wasser übergießen und dann, meistens auch noch ohne Zucker, genießen. Ich habe mich nicht daran gewöhnen können, aber ich nahm eine Tasse mit dieser etwas krank und leidend scheinenden Frau. Sie fragte mich nach meiner Herkunft, meiner Familie, meiner Arbeit und ich erzählte ihr, als wenn sie meine Großmutter wäre, wie ich aufgewachsen war, vom frühen Tod meines Vaters und meiner Irrfahrt nach Italien, von der Mafia und von der an ein Wunder grenzenden Begegnung mit ihrer an ein Wunder grenzenden Tochter. Ihre Augen zeigten Stolz und Freude, ihr leicht schmerzverzerrtes Gesicht hellte sich auf. Und sie erzählte mir eine Geschichte:
    ‚Kennen Sie Asterix und Obelix?’ ‚Ja, Madame, ich habe den Film mit Gérard Depardieu gesehen, der ägyptische Architekt wurde von einem Marokkaner gespielt. Asterix ist der Franzose, der den Italienern einheizt.’ Das sagte ich nicht ohne eine gewisse Genugtuung. Immerhin gab es in der Vergangenheit jemanden, der meinen ausstehenden Lohn bei den Italienern rächen konnte, neben Hannibal natürlich.
    ‚Wissen Sie’, sagte sie lächelnd und mit schwacher Stimme, ‚Obelix, der Starke der beiden, fiel doch als Kind in einen Topf voller Zaubertrank, darum war er unbesiegbar und musste vor einem Kampf keinen Schluck nehmen wie sein kleiner schlauer Freund Asterix. Und meiner Tochter geschah etwas Ähnliches: Sie war etwa dreijährig, als wir einen neuen Kessel bekamen, in dem die Schokoladenmasse auskühlte. Während einer Besichtigung mit Touristen stieg die Kleine aus lauter Neugier auf einen Schemel und beugte sich so weit vor, dass sie in den Kessel fiel. Glücklicherweise war er nicht voll und als wir sie herausfischten, sah sie aus wie ein Osterhase.’
    Die alte Dame lachte herzlich und musste dabei husten und ich lachte mit, obwohl ich keine Ahnung hatte, was ein Osterhase war.
    Gegen Mitternacht erst gingen wir schlafen. Heidi bezog ihr Zimmer und mir wurde ein großes Gästezimmer zur Verfügung gestellt. Auf dem Kopfkissen lagen natürlich drei Stück feinste Schokolade, die ich sofort vertilgte. Heidi kam noch zu mir, als ich unter dieser warmen Daunendecke lag, und setzte sich an den Bettrand.
    ‚Meine Eltern mögen dich’, sagte sie. ‚Sie sind wunderbare Menschen’, antwortete ich. ‚Was hat deine Mutter?’ ‚Krebs’, sagte Heidi, als wenn es sich um eine Grippe handelte. Oh, ich wusste was

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