Der träumende Kameltreiber (German Edition)
Rechnung kam, schaute ich beschämt zur Seite. Und danach gingen wir in eine Bar. Ihr glaubt es mir bestimmt nicht, aber eine Cola kostete zehn Dinars. Wisst ihr, was diese Leute verdienen mussten? Denn die Cola war das billigste Getränk in diesem Laden. Ich habe Leute gesehen, die drei Flaschen Champagner an einen Tisch bestellten. Ich nahm noch mal die Preisliste in die Hand und suchte nach ‚Champagner’. Ich fand ihn. Und mein Herz schlug höher. Eine Flasche war teurer als ein Monatslohn bei uns. Ich habe an jenem Abend Zweifel an der Welt und an Gott bekommen. Ich sah junge Menschen, in unserem Alter, mit dem Geld um sich werfen, als wenn es schlichtes Papier wäre. Sie gaben an einem solchen Abend aus, was wir hier in einem halben Jahr verdienen. Ich fühlte leichten Ekel, als sie auch noch betrunken und unfreundlich wurden. Anstatt mich auf meine Geliebte und Prinzessin zu konzentrieren, konnte ich nicht anders, als diesen Menschen zuzusehen und zuzuhören. Sie wurden immer lauter, auffälliger, lästiger. Mit jeder Bestellung drängten und beleidigten sie das Personal. Wieso dieses viele Geld, wenn man nicht weiß, was damit anzufangen ist? Ich rechnete mir aus, dass mit dem Geld, das heute in diesem Lokal ausgegeben wurde, ein Dorf in unserem Land ein Jahr lang leben konnte. Ich wurde traurig und nachdenklich und als mich Heidi fragte, was los sei, erklärte ich ihr alles. Sie bezahlte und wir gingen hinaus.
Die frische Luft drang tief in meine Lungen. Der Schnee knirschte unter unseren Füßen. Wir gingen Arm in Arm spazieren. Dann sagte Heidi: ‚Klosters ist nicht nur diese Bar. Es ist doch wie bei dir. Deine Touristen benehmen sich doch auch so. Das sind Touristen, die von Zürich und Genf, Bern und Luzern kommen. Ich zeige dir was anderes.’
Aus einem verschneiten, großen Haus drang zartes Licht heraus. Wir gingen hinein und die Stimmung war ganz anders als in der Bar. Einige Gäste drehten sich nach uns um, sie müssen sich wohl auch gefragt haben, wen diese Frau eigentlich im Schlepptau hatte. Aber die meisten Menschen waren einfache Arbeiter, Bauern und Angestellte. Sie tranken und aßen von normalem Geschirr und redeten über alles, was sie beschäftigte. Und das waren bestimmt keine Themen wie die Weltwirtschaft, die Finanzwelt und der Irak. Sie interessierten sich für ihre eigenen kleinen Probleme, wie mir Heidi erklärte: die Hühnerkrankheit, die lokale Politik, die steigende Arbeitslosigkeit und die Aussichten auf eine gute Saison. Normale Menschen eben. Ich fühlte mich wohl und da beging ich – Gott vergebe mir – zum ersten Mal die Sünde: Ich trank Wein. Und es blieb in jener Nacht nicht nur bei dieser Sünde. Ich habe danach Gott versprochen, einen Monat zu fasten. Ich schulde den Monat noch, aber ich werde ihn nachholen, ganz bestimmt.
Heidi sah mich mit großen Augen an, als ich sagte, ich würde gerne mit ihr ein Glas Wein trinken. Sie bestellte für uns. Er schmeckte bitter. Aber nach dem zweiten Glas löste er meine Zunge und ich muss wie ein Wasserfall geredet haben, denn Heidi bat mich immer wieder, noch mal von vorne anzufangen. Ich erklärte ihr meine ungeteilte Liebe. Ich gestand ihr, dass ich seit drei Tagen an nichts anderes denken konnte als an sie, dass ich von ihr träumte, tags wie nachts, dass ich sie begehrte und es nicht mehr aushielte, neben ihr zu sitzen, zu stehen, zu liegen.
Sie hielt beide Hände vors Gesicht und unterdrückte ein leises Weinen. In ihren wundervollen Augen konnte ich die Freude über mein Geständnis sehen und da wusste ich, heute ist die Nacht der Nächte, die Mutter der Nächte! Ich sang leise vor mich hin: ‚Hädhihi läyläti ua hulmu läyäli … – dies ist meine Nacht und der Traum meiner Nächte!’
Sie bezahlte und wir gingen in die Wohnung zurück.«
Jamel flüsterte zu Samia: »Jetzt kommt die Sache, wo du vielleicht besser weghören solltest.«
»Du sagtest doch Hotelzimmer.«
»Ich habe es nicht mehr genau gewusst, aber Hotel oder Wohnung, es ist jetzt so weit, er wird ganz sicher ihren Körper beschreiben, ihren Duft, ihre Leidenschaft.«
»Sei bitte ruhig und lass mich zuhören.«
Ahmed fuhr fort:
»Oh Freunde, es gibt Momente im Leben eines Mannes, da ist er entweder stolz oder er verkriecht sich wie ein kleiner, verängstigter Vogel, der von einer Katze gefangen wurde. Nun, wie soll ich es euch gestehen, ich wurde von einer Katze gejagt, gefangen und immer wieder gequält. Nur, dass ich die Qualen genoss und
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