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Der Trafikant / ebook (German Edition)

Der Trafikant / ebook (German Edition)

Titel: Der Trafikant / ebook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Seethaler
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böhmische Küche ist ja wirklich ganz wunderbar«, sagte er und betrachtete versonnen seine nun wieder gleichmäßig glühende Hoyo.
    »Ja, wunderbar …«, murmelte Franz. Gegenüber, auf der anderen Seite des immer noch winterkahlen Rosenbeetes, gingen zwei verwitterte Damen vorüber und warfen spitze Blicke auf die Männer, die da so selbstverständlich die gewohnheitsrechtlich eigentlich ihnen zustehende Bank besetzt hielten. Aus der entgegengesetzten Richtung kam ein Parkwächter herangeschlendert. Er grüßte, indem er kurz eine Hand an seinen Mützenschirm hob, und fing an, mit einem dünnen Stecken in dem Mistkübel neben der Bank herumzustochern.
    Die Herren mögen entschuldigen, meinte er nebenbei, es sei halt wegen der Bomben. Und natürlich, fügte er hinzu, wegen all der anderen von der Stadtverwaltung nicht tolerierbaren Gegenstände.
    Um welche Gegenstände es sich denn dabei genau handle, wollte Freud wissen.
    Der Parkwächter zuckte mit den Schultern. Das könne man nicht sagen, meinte er, allerhöchstens werde man es herausfinden, wenn man einen dieser Gegenstände fände.
    Warum man denn ausgerechnet in den Volksgartenmistkübeln verdächtige Gegenstände und Bomben zu finden glaube, fragte Freud.
    Warum denn nicht, gab der Parkwächter zu bedenken, warum denn nicht ausgerechnet und gerade in den Volksgartenmistkübeln? Schließlich könne man in so ein Bombenlegerhirn ja nicht hineinschauen. Aber jetzt müsse man schon verzeihen, der Volksgarten sei schließlich nicht klein und Mistkübeln gäbe es in Wien wie Sand am Meer. Einen angenehmen Tag, die Herren, auf Wiedersehen.
    »Gut«, sagte Freud, nachdem der Wächter hinter der Hecke verschwunden war. »Und was genau war jetzt mit dir und dieser Anezka?«
    »Ich habe sie berührt«, sagte Franz. »Und es war das Schönste, was ich je erlebt habe!«
    »Das freut mich. Ich hoffe, sie hat dich ebenfalls berührt?«
    »Natürlich! Und wie! Überall! Und jede Stelle, die sie berührt hat, brennt noch immer! Mein ganzer Körper brennt wie Zunder!«
    Freud tippte nachdenklich mit dem Mittelfinger an seine Zigarre. »Die Liebe ist ein Flächenbrand, den niemand löschen will und löschen kann«, sagte er und sah zu, wie die Ascheflöckchen langsam auf den Kies hinuntertrudelten.
    »Ich schon!«, rief Franz aus und sprang mit einem wilden Satz von der Bank. »Ich kann und ich will ihn löschen! Ich möchte doch nicht als Aschehäufchen im Hinterzimmer einer Trafik enden!«
    »Setz dich wieder hin und hör auf, in aller Öffentlichkeit herumzuschreien!«, befahl Freud mit plötzlicher Schärfe. Franz gehorchte. »Und jetzt noch einmal ganz in Ruhe: Du hast sie also wiedergesehen. Du weißt, wie sie heißt. Du weißt, woher sie kommt. Ihr habt euch berührt. Und weiter?«
    »Danach war sie verschwunden.«
    »Schon wieder?«
    »Das ist es ja: Sie war einfach weg! Nicht einmal die Frauen im gelben Haus haben mir sagen können, wo sie ist.«
    »Die Frauen im gelben Haus?«
    »Alles Böhminnen. Außer der alten Frau mit ihrem Schwein.«
    Der Professor hob seinen Blick gegen den Himmel, als würde er sich von dem strahlenden Blau dort oben irgendeinen brauchbaren Zuspruch erwarten. Aber da kam nichts. Mit einer müden Bewegung nahm er seinen Hut ab und setzte ihn auf eines seiner Knie.
    »Wenn das Schwein für den weiteren Verlauf der Geschichte keine nennenswerte Bedeutung hat, möchte ich dich bitten, fortzufahren und zum Ende zu kommen, und zwar noch bevor die Welt untergeht, was, wie wir wissen, demnächst geschehen kann!«
    »Entschuldigung, Herr Professor«, sagte Franz zerknirscht. »Sie war also verschwunden. Aber nach ein paar Wochen hab ich sie wiedergefunden. Ich hab mich am gelben Haus hinter einen Schutthaufen gesetzt und sie abgepasst, dann bin ich ihr nachgegangen. Bis in den Prater. Bis in die Grotte. Die Grotte ist ein Kabarett. Oder ein Tanzlokal. Oder beides. Jedenfalls außen grün, innen rot; verraucht, stickig, eine Unmenge von Kerzen und so weiter. Ich hab was zu trinken bestellt und als Erstes ist Monsieur de Caballé aufgetreten.«
    »Wer?«
    »In Wirklichkeit heißt er Heinzi. Er erzählt Witze und macht Hitler zum Hund. Die Kellnerin hat ihn an einer Leine abgeführt, und die Musik ist losgegangen.«
    »Was für eine Musik?«
    »Weiß nicht. Ziemlich rhythmisch, irgendwie auch traurig. Jedenfalls ist dann Anezka aufgetreten.«
    »Na endlich.«
    »Ja. Aber eigentlich war es gar nicht Anezka, sondern eine Indianerin namens N’tschina.

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