Der Trakt
dem Rücken zur Tür und knallte mit der Ferse dagegen. Sie rechnete fest damit, dass der Dicke aus dem Nachbarzimmer jeden Moment wütend herausgestürmt käme, doch stattdessen kam von dort, wo die Treppe von unten in den Flur mündete, eine Frau auf sie zu. Sie war etwa in Sibylles Alter, trug einen grünen Rock und eine weiße Bluse, offensichtlich gehörte sie zum Hotelpersonal. Mit verständnislosem Blick blieb sie vor Sibylle stehen.
»Entschuldigen Sie den Lärm«, sagte Sibylle schnell, »aber ich befürchte, mit meinem Bekannten, Herrn Rössler, ist irgendwas nicht in Ordnung. Könnten Sie bitte die Tür aufschließen?«
Die Frau runzelte die Stirn und betrachtete die geschlossene Zimmertür, als könne sie erkennen, was dahinter vor sich ging.
»Sie können um diese Uhrzeit doch nicht einen solchen Lärm machen. Es gibt Gäste, die möchten noch schlafen. Wie kommen sie darauf, dass etwas mit Herrn Rössler nicht stimmt?«
»Er wird einfach nicht wach.«
»Er hat eben einen festen Schlaf«, antwortete die Frau ungehalten.
Oh … verdammt … verdammt!
»Aber … er ist krank«, log sie. »Er bekommt manchmal … Anfälle. Das ist sehr gefährlich. Bitte, ich muss sofort nach ihm sehen.«
Damit hatte sie ins Schwarze getroffen. Die Augen der Frau weiteten sich kurz, dann nickte sie, sagte: »Warten Sie einen Moment, bitte, ja?«, und eilte davon.
Mit einem einzelnen Schlüssel in der Hand, an dem eine gelbe Plastikkarte befestigt war, war die Angestellte nach wenigen Augenblicken zurück, und mit einem letzten fragenden Blick schloss sie schließlich Christians Zimmer auf und trat einen Schritt zur Seite.
Ohne Zögern betrat Sibylle das Zimmer und stutzte. Das Bett war zerwühlt, aber leer. Sie ging zurück zur Badezimmertür, die einen Spalt weit offen stand. Dahinter war es dunkel. »Christian?«, rief sie und betätigte den Lichtschalter.
Niemand da – aber wo kann er so früh am Morgen schon hingegangen sein?
»Haben Sie sich gedacht, dass Ihr Bekannter nicht hier ist?«, wollte die Hotelangestellte überflüssigerweise wissen.
»Glauben Sie, ich hätte das halbe Hotel mit meinem Klopfen geweckt, wenn ich davon ausgegangen wäre, dass er nicht in seinem Zimmer ist?« Sie betrachtete das zerwühlte Bett. »Vielleicht konnte er nicht schlafen und macht einen Spaziergang.«
»Ja, vielleicht«, sagte die Frau. »Ich denke, wir können das Zimmer jetzt wieder verlassen.«
»Ich würde gerne hier auf Herrn Rössler warten.«
»Tut mir leid, aber das geht nicht. Ich habe überhaupt nur aufgeschlossen, weil Sie sagten … Das war quasi ein Notfall. Bitte kommen Sie.«
»Nur einen kleinen Moment noch, bitte«, sagte Sibylle, griff nach einem Stift und schrieb auf den Hotelbriefbogen:
Komm bitte sofort zu mir. Ich habe den Mann im Fernsehen gesehen, der mich eingesperrt hat. Firma CerebMed Microsystems.
Sibylle
Zurück in ihrem Zimmer, rief Sibylle bei der Kriminalpolizei Regensburg an und verlangte Kommissar Wittschorek, musste aber erfahren, dass der wahrscheinlich erst zwischen acht und neun auf der Dienstselle erscheinen würde.
In der nächsten halben Stunde schaltete sie immer wieder zwischen den verschiedenen TV -Programmen hin und her in der Hoffnung, irgendwo noch einen Bericht über CerebMed Microsystems zu sehen.
Kurz nach halb acht schließlich nahm sie den Zimmerschlüssel von der Kommode und verließ nach einem Griff in die Hosentasche, mit dem sie die zerknüllten Geldscheine mit den Fingern berührte, ihr Zimmer.
An der Rezeption saß die Frau, die ihr Christians Zimmer aufgeschlossen hatte. Sie wirkte schon viel freundlicher. »Ist Ihr Begleiter wieder zurück?«
»Nein, noch nicht. Kann ich ihm eine Nachricht hinterlassen?«
»Selbstverständlich.«
Während sie eine Schublade öffnete und einen Notizblock herauszog, nahm Sibylle sich eines der Kärtchen mit Name und Adresse des Hotels, die in einem Korb seitlich auf dem Tresen lagen, und steckte es ein. Dann griff sie nach dem Block, den die Frau ihr zusammen mit einem Kugelschreiber und einem Umschlag über den Rezeptionstresen reichte, und sagte: »Eine Frage, wissen Sie zufällig, wo ich die Firma CerebMed Microsystems finde?«
»CerebMed?« Die Frau machte ein nachdenkliches Gesicht. »Hm, der Name sagt mir was. Ich suche Ihnen die Adresse gerne heraus.«
»Ich glaube, es ist in Aubing, in der Bodenseestraße. Rufen Sie mir doch bitte ein Taxi.«
Aubing? Bodenseestraße? Woher willst du das wissen? Der
Weitere Kostenlose Bücher