Der Trakt
die Fernbedienung auf das Gerät und wollte gerade umschalten, als ein neues Foto eingeblendet wurde. Drei lachende Männer waren zu sehen, zwei davon trugen einen weißen Kittel. Der mittlere hatte ein rotes Poloshirt an. Er hatte silbergraue Haare und ein Gewinnerlächeln.
Das Foto trug die Überschrift:
Durchbruch in der Hirnforschung
Sibylle ließ die Fernbedienung wieder sinken und hörte gebannt der Sprecherin zu, die davon berichtete, dass dem Münchener Unternehmen CerebMed Microsystems
,
einem Hersteller von Hightech-Medizingeräten, ein Erfolg in der Behandlung psychischer Störungen gelungen sei, welche durch traumatische Erlebnisse hervorgerufen werden. Dem Team von Wissenschaftlern um Professor Dr. Gerhard Haas, in der Bildmitte, sei es geglückt, ein neuartiges Verfahren zu entwickeln, mit dem spezielle Erinnerungen ausgeschaltet werden konnten.
Bei einem traumatisierten Probanden, so las die Sprecherin vor, konnten die Forscher ganz gezielt die Erinnerung an einen fürchterlichen Unfall in der Kindheit eliminieren, bei dem seine Eltern auf grauenvolle Weise ums Leben gekommen waren. Nach der Behandlung durch Professor Dr. Haas in der Neurologischen Abteilung des Klinikums der Universität München, bei der er die von CerebMed Microsystems entwickelte Methode eingesetzt hatte, hatte der Patient erstmals seit fast zwanzig Jahren wieder ein paar Worte gesprochen und befand sich auf dem Wege der Besserung.
Ein Film wurde eingespielt, in dem eine Reporterin vor einer modernen Glasfront stand und davon berichtete, dass Wissenschaftler des von dem bekannten Neurologen Professor Dr. Haas gegründeten Unternehmens sich seit vielen Jahren in Zusammenarbeit mit dem Uniklinikum intensiv mit der Erforschung von Traumata und deren Behandlungsmöglichkeiten beschäftigten und nun mit dem neu entwickelten Verfahren einen großen Erfolg zu verzeichnen hätten.
Vereinfacht ausgedrückt würde bei diesem Verfahren ein ganz bestimmtes Enzym gehemmt, das für die Langzeitspeicherung von Gedächtnisinhalten verantwortlich ist. Mit einem von CerebMed entwickelten Gerät würden dann mit feinsten Stromstößen Synapsenverbindungen im Gehirn gelöst, womit gewisse Erinnerungen nicht mehr abgerufen werden konnten.
Mehrere Männer und Frauen gingen während der Aufzeichnung des Berichtes hinter der Reporterin vorbei auf den Eingang des Gebäudes zu, die meisten von ihnen sahen neugierig zu den Fernsehleuten herüber. Einer von ihnen, ein schmaler Mann, schien in diesem Moment Sibylle durch die Scheibe des Fernsehgerätes hindurch direkt anzusehen.
Sibylle erstarrte.
Sie hatte das Gefühl, ihr Herz müsse in genau diesem Moment endgültig aussetzen.
Dieser Mann, der gerade wieder aus dem Bild verschwand, war … Dr. Muhlhaus.
Wie kann das sein?
Mit einem Mal fiel die Starre von ihr ab. Mit hämmerndem Herzen rutschte sie vom Bett. Die Fernbedienung fiel polternd zu Boden, sie beachtete es nicht weiter. Ihre Hände zitterten so sehr, dass sie es nur mit Mühe schaffte, den Bleistift zu halten, der neben dem Hotelbriefpapier gelegen hatte. Mit krakeliger Kinderschrift schrieb sie
CerebMed, Prof. Haas
auf ein Blatt und sah dann schnell wieder zu dem Fernseher auf, aber der Bericht war zu Ende, die Moderatorin sprach nun über die Landtagswahlen.
Einen Moment lang blieb Sibylle unschlüssig stehen, während die Gedanken einen entfesselten Reigen in ihrem Kopf tanzten, dann stürmte sie aus dem Zimmer, legte die wenigen Meter zu Christians Zimmer im Laufschritt zurück, stand schwer atmend vor der Tür und schlug gleich mehrmals mit der flachen Hand dagegen. Das Geräusch, eine Art dumpfes Klatschen, war sehr laut, aber das war ihr egal.
Endlich … endlich eine echte Spur!
»Christian?«
Sie legte das Ohr an die Tür, aber in dem Zimmer regte sich nichts. Wieder schlug sie dagegen, nun aber mit geballten Fäusten, doch statt der Tür, vor der sie stand, öffnete sich die des angrenzenden Zimmers. Ein dicker Mann in Unterhemd und Anzughose stand mit Rasierschaum im Gesicht im Eingang seines Zimmers und knurrte sie an: »Was veranstalten Sie denn hier? Geht’s ein bisschen leiser?«
Noch ehe sie etwas entgegnen konnte, hatte er die Tür schon wieder hinter sich geschlossen.
Sibylle war verzweifelt.
Soll der Kerl sich doch beschweren!
Sie hatte Muhlhaus gesehen, Christian
musste
sofort aufwachen.
Wieder hämmerte sie gegen die Zimmertür und rief seinen Namen. Als sich noch immer nichts regte, drehte sie sich mit
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