Der Trakt
umdrehen konnte, um zu sehen, was den Mann abgelenkt hatte, rief hinter ihr jemand ihren Namen. Es war eine bekannte Stimme. Sibylle wirbelte herum und hätte am liebsten aufgeschrien vor Erleichterung, als sie sah, dass Christian mit schnellen Schritten auf sie zukam.
»Gott sei Dank, ich bin so froh, dass du da bist! Aber wo warst du denn?«
Christian sah zwischen ihr und dem Mann hinter der Rezeption hin und her, bevor er ihr beide Hände auf die Oberarme legte und sagte: »Wir haben uns wohl um ein paar Minuten verpasst. Lass uns nach draußen gehen.«
»Aber …«, setzte sie an, verstummte jedoch, als sie seinen beschwörenden Blick sah.
Er nickte dem Mann hinter der Rezeption zu, sagte: »Entschuldigen Sie bitte«, und zog Sibylle mit sich.
Sie musste sich sehr zusammenreißen, ruhig zu bleiben.
Die Schiebetüren öffneten sich schon, als sie noch einige Meter davon entfernt waren, den Kontakt hatte eine junge Frau ausgelöst, die ihnen entgegenkam und stockte, als sie Sibylle sah. »Danny? Danny, bist du das?«
Sibylle war verwirrt. Sie kannte die Frau nicht.
Und warum nennt sie mich Danny?
»Nein, mein Name ist Sibylle. Sibylle Aurich. Sorry, ich nehme an, Sie verwechseln –«
»Genau, Sie müssen jemand anderen meinen«, fiel Christian ihr ungeduldig ins Wort und drückte ihr mit der Hand gegen den Rücken, damit sie weiterging.
»Tut mir leid«, sagte Sibylle noch zu der jungen Frau und sah deren völlig entgeisterten Gesichtsausdruck.
Ohne ein weiteres Wort verließ sie mit Christian das Gebäude, aber kaum hatte sich die Eingangstür hinter ihnen mit einem saugenden Geräusch wieder geschlossen, sprudelte Sibylle los: »Mensch, wo warst du bloß heute morgen? Dieser Kerl arbeitet hier, da bin ich sicher. Ich hab ihn im Fernsehen erkannt! Wir müssen wieder da rein. Gut, dass du jetzt da bist, alleine hätte ich wahrscheinlich sowieso keine Chance. Hast du deinem Kollegen schon Bescheid gesagt? Ich hab’s von unterwegs versucht, aber er war noch nicht im Büro. Rufst du ihn bitte direkt noch mal an? Christian?«
»Gleich. Lass uns noch ein Stück weitergehen.«
Ungeduldig folgte sie ihm, erst über den Parkplatz, dann lotste er sie an der Seite des Gebäudes vorbei. »Ich möchte sehen, wie die Rückseite aussieht«, erklärte er, »nur für alle Fälle.«
Die Rückseite?
Mit jedem Schritt, den sie weitergingen, kam ihr die Situation seltsamer vor. »Christian, kannst du mir jetzt bitte endlich sagen, wo du heute Morgen warst?«
Christians Gesicht veränderte sich mit einem Mal auf eine Art, die Sibylle gar nicht gefiel. Er verzog den Mund zu einem unverschämten Grinsen und sagte: »Ich habe mich mit jemandem getroffen, der bald alle deine Probleme lösen wird.«
Sibylle verstand kein Wort von dem, was er da sagte, aber es stieg eine dunkle Ahnung in ihr auf, die ihr Angst einjagte.
»Aber wie … Ich meine, wer soll meine Probleme lösen können? Und woher –«
»Er war bei mir«, wurde sie von einer Stimme hinter ihrem Rücken unterbrochen, die ihr einen Schauer über den Körper trieb. Sie wirbelte herum und erstarrte, als sie in diese gefühllosen Augen sah, vor denen sie sich schon gestern im Regionalzug gefürchtet hatte. Der Abstand zwischen ihr und diesem Mann betrug höchstens einen Meter. Er war nur wenige Zentimeter größer als sie und starrte ihr mit unbewegter Miene in die Augen. Sibylle wollte schreien, aber sie schaffte es nicht einmal, den Mund zu öffnen. Der Drang, vor diesem fürchterlichen Menschen wegzulaufen, wurde übermächtig, aber die Verbindung zwischen ihrem Gehirn und den Muskeln war unterbrochen.
Der schmale Mund in diesem harten Gesicht bewegte sich und sagte: »Guten Tag, mein Name ist Hans. Wir werden jetzt da reingehen, es wartet jemand auf dich. Und es wäre gut, wenn du keine Schwierigkeiten machst.«
Zur Unterstreichung seiner Worte hob er die rechte Hand und zeigte ihr ein Messer mit einer furchteinflößend langen Klinge. Der Anblick der Waffe löste endlich ihre Starre und ließ sie einen Schritt zurück machen. Dabei stieß sie gegen Christian und schnellte zu ihm herum. Er grinste noch immer. »Christian«, stieß sie hervor, und erst in dem Moment, als sie seinen Namen sagte, wurde ihr mit aller Macht bewusst, was diese Situation bedeutete.
»Du?« Ihre Beine gaben nach. Es war ihr egal.
Er griff ihr unter die Arme und fing sie auf, bevor sie zu Boden fallen konnte. Die Stimme des schrecklichen Kerls hinter ihr sagte etwas, das sie
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