Der Trakt
hätte schreien können vor Enttäuschung und Verzweiflung.
Hört dieser Wahnsinn denn niemals auf?
Rosie schüttelte verwirrt den Kopf. »Was ist mit diesem Wittschorek?«
Sibylle atmete tief durch. »Also, der Kerl da vorne, Christian oder Robert oder wie auch immer, hat ein paarmal mit Wittschorek telefoniert. Als ich’s bemerkt habe, hat er mir vorgelogen, er wäre ebenfalls Polizist und wollte die Sache mit Wittschorek zusammen hinter dem Rücken von Grohe aufklären, weil der wahrscheinlich mit den Verbrechern unter einer Decke steckt. Wittschorek hat mir das alles am Telefon auch bestätigt.« Sie senkte den Kopf. »Alles gelogen, alles bloß Lügen. Wozu das alles?«
Rosie sah noch einmal nach vorne und schüttelte den Kopf. »Das ist doch total verrückt.«
»Ja, das denke ich seit vorgestern andauernd«, antwortete Sibylle.
»Und was ist mit Oberkommissar Grohe?«, wollte Rosie wissen, und die Art, wie sie das fragte, erzeugte ein ungutes Gefühl in Sibylle. »Ich weiß es nicht«, erklärte sie. »Warum?«
Rosie sah sie an wie ein Kind, das eine teure Vase zerbrochen hat. »Sag ich dir gleich, wenn wir da sind.« Sibylle verstand und nickte.
»Da vorne, vor dem Bahnhof, rechts abbiegen.« Zur Unterstreichung ihres Befehls schlug Rosie zweimal mit der Handfläche fest gegen die Rückenlehne des Fahrersitzes, bevor sie sich wieder an Sibylle wandte. »So, wo war ich? Ach so, ja, ich bin euch erst quer durch Regensburg gefolgt, wobei ich großes Glück hatte, dass ich einen jungen Kerl in einer klapprigen Kiste mit fünfzig Euro überreden konnte, dem Taxi zu folgen, in das ihr eingestiegen seid. Als ihr wieder zu dem Versicherungsbüro zurückgegangen seid, ist mir zum ersten Mal dieser Zombie aufgefallen, der euch verfolgt hat. Ich glaube, er hat mich auch gesehen, später ist er nämlich kreuz und quer durch den Zug gelaufen, und ich hatte ziemliche Probleme, mich vor ihm zu verstecken. Am Bahnhof hatte ich mir das Kopftuch gekauft. Meine Haare, na ja, die Farbe ist vielleicht nicht ganz alltäglich. Hier in München war es relativ einfach, an euch dranzubleiben, und der Taxifahrer fand es sehr spannend, als ich ihm erzählt habe, dass ich als Privatdetektivin unterwegs bin, im Auftrag der betrogenen Frau von Herrn Drecksack, der mit seiner Sekretärin, also mit dir, eine Affäre hat.« Sibylle wusste nicht, wie oft sie in der letzten Viertelstunde ungläubig über Rosemarie Wengler den Kopf geschüttelt hatte. »Na ja, ich hab mich nicht getraut, in das gleiche Hotel zu gehen wie ihr und der Zombie, also hab ich mir ein Zimmer in der Nähe gesucht und mir einen Mietwagen kommen lassen. Und heute Morgen hätte ich fast alles vermasselt, weil ich zu spät zu eurem Hotel zurückgekommen bin. Hatte nicht damit gerechnet, dass du dich so früh schon auf den Weg machst.«
»Ich hab einen Bericht über diese Firma gesehen, über CerebMed«, erklärte Sibylle, »im Lokalfernsehen, und da ist dieser Kerl aufgetaucht, der mich in Regensburg eingesperrt hatte.«
Rosie nickte verstehend. »Ich war jedenfalls gerade erst ein paar Minuten vor eurem Hotel, als der Drecksack und der Zombie ganz aufgeregt in ein Taxi gestiegen sind. Da dachte ich mir, dass du schon weg sein musst, bin den beiden also hinterher und hab auf dem Parkplatz gesehen, dass der Zombie sich draußen versteckt, während der Drecksack ins Gebäude gegangen ist. Den Rest kennst du. Na ja, bis auf die Kleinigkeit, die ich dir gleich noch erzähle.«
»Ey, hörst du vielleicht endlich mal auf, mich so zu nennen«, maulte Robert, woraufhin Rosie grinsend zurückfragte: »Wie sollte ich einen Drecksack denn sonst nennen? Sibylle, du hast doch nicht etwa mit dem da in einem Bett geschlafen?«
Sibylle schüttelte heftig den Kopf. »Nein, hab ich nicht.«
Nein, Gott sei Dank nicht.
Sichtlich beruhigt dirigierte Rosie ihn in den nächsten Minuten durch vier, fünf Straßen bis zu einem großen Hotel.
Als er den Renault hinter dem hohen Gebäude abgestellt hatte, beugte sie sich zu ihm nach vorne und sagte: »Damit du die Lage nicht falsch einschätzt,
Rob.
Ich habe wirklich nicht die geringsten Hemmungen, dich mitten in der Lobby zu erschießen, wenn du Blödsinn machst. Ich bin mein halbes Leben lang von einem elenden Säufer verprügelt worden und hab in dieser Zeit dummerweise eine Art Psychose gegen gewalttätige Kerle entwickelt, die ich kaum im Zaum halten kann. Ich werde den Rest meines Lebens singend und pfeifend im Gefängnis
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