Der Traum der Hebamme / Roman
Seine Hoheit mit der erfreulichen Nachricht begrüßen, es gebe Anzeichen für eine Schwangerschaft!«, erklärte der listige Alte. »Ein bisschen Übelkeit am Morgen werdet Ihr doch zustande bringen, und zu gegebener Zeit täuschen wir eine Fehlgeburt vor. Dabei werde ich Euch mit meinen Mitteln zur Seite stehen, damit alles glaubhaft wirkt. Der Fürst wird natürlich äußerst betrübt sein. Aber bis dahin wird er Euch nicht schlagen, das Beilager bleibt Euch erspart – und mich wird er nicht aufknüpfen lassen. Mir scheint, dies ist für jeden von uns beiden ein gutes Geschäft.«
Erwartungsfroh sah der Alchimist zu Sophia, die einfach nur noch hinauswollte aus diesem düsteren Gewölbe mit dem beißenden Gestank, den widerlichen Zutaten und dem Greis mit dem gefährlichen Wissen. Ihr Blick heftete sich auf einen außergewöhnlichen Stein, den sie noch nie zuvor hier bemerkt hatte; er sah aus wie ein Augapfel. Ihr schauderte.
»Es wird zu Euerm und meinem Nutzen sein!«, versicherte der Alchimist.
Hin- und hergerissen zwischen Hoffnung und Furcht, überlegte Sophia, wie sie die Blutung vor den Hofdamen verbergen konnte. Noch hatte sie keiner davon erzählt, und wenn sie die blutigen Leinenstreifen einfach in die Heimlichkeit warf, statt sie den Mägden zum Waschen zu geben, dann könnte der Plan des Magisters vielleicht sogar aufgehen.
Nach zwei Fehlgeburten würde Albrecht ihr Bett nicht mehr aufsuchen, wenn er sie schwanger glaubte, um das Ungeborene nicht zu gefährden.
Je länger sie darüber nachdachte, umso vorteilhafter erschien ihr dieser Plan. Zumindest für den Moment.
Am nächsten Tag traf ein Bote Albrechts in Seußlitz ein und überbrachte dem Kommandanten die Weisung, sich umgehend auf dem Meißner Burgberg einzufinden.
»Wie viele Männer soll ich mitbringen?«, erkundigte sich Lothar, ein Mann Mitte fünfzig, schlank und mit grauen Strähnen an den Schläfen. Ihm unterstanden die Männer, die Hedwig bewachen sollten.
»Keinen. Ihr reitet allein«, richtete der Bote aus, ein Ministerialer in Albrechts Diensten.
»Doch gemeinsam mit Euch? Ihr werdet sicher wieder in Meißen erwartet?«
Dem Mann war deutlich unwohl in seiner Haut. »Nein, Seine Hoheit befahl mir, vorerst zu bleiben und die Fürstin Hedwig zu bewachen, bis ein neuer Burgkommandant geschickt wird.«
»Also werde ich von meinem Posten abgelöst? Weshalb?«, fragte Lothar streng. »Ist der Fürst nicht mit mir zufrieden?«
»Ich weiß es nicht, Herr! Ich weiß gar nichts!«
Vorsichtig sah der Ministeriale um sich, ob ihn auch niemand hören konnte, dann raunte er: »Aber nehmt gleich mit, was Euch an Besitz wichtig ist. Ihr werdet wohl nicht mehr hierher zurückkehren.«
Die Abendmahlzeit in Seußlitz schien einem uneingeweihten Betrachter ganz normal abzulaufen. Der Kaplan segnete das Mahl, dann speisten an einem Tisch Hedwig, die beiden Hofdamen, die ihr Sohn ihr zugestanden hatte, und der Burgkommandant. Den Boten aus Meißen hatte Lothar in nächster Nähe plaziert, so konnte er jedes Wort verstehen, das an der hohen Tafel gewechselt wurde: von langen Pausen durchzogene Belanglosigkeiten, wie das Wetter oder den zu stark gesalzenen Braten.
»Zu meinem Bedauern müsst Ihr ab morgen auf meine Anwesenheit verzichten, Hoheit«, erklärte der Kommandant mit kühler Höflichkeit, als der Fisch aufgetragen wurde. »Der Fürst von Meißen lässt nach mir rufen.«
Die Fürstinnenwitwe neigte den Kopf ein wenig zur Seite und blickte ihn gleichgültig an. »Ich hoffe, Ihr werdet meinen Sohn mit Euren Diensten zufriedenstellen«, entgegnete sie streng.
»Selbstverständlich, Hoheit.«
Die Frostigkeit der erzwungenen Unterhaltung ließ befürchten, in der ohnehin schon kalten Halle, wo jedermann in einen dicken Umhang gehüllt war, könnte bald das Wasser im Krug zu Eis gefrieren.
Wenig später erhob sich die Fürstin, eine der Zofen legte ihr den Tasselmantel enger um die Schultern und richtete ihr den Schleier. Hedwig verkündete, nach ihrer abendlichen Andacht zu Bett zu gehen, wobei sie auch ein Gebet für die glückliche Reise des Kommandanten sprechen werde.
Der dankte ihr mit einer steifen Verneigung und entfernte sich Richtung Burghof.
Viel später, tief in der Nacht, öffnete Lothar die Tür zu Hedwigs Kammer, schlüpfte hinein und wurde von Hedwig leidenschaftlich umarmt. Nur Susanne, die ihr seit vielen Jahren ergebene Dienerin, die draußen Wache hielt, wusste etwas von diesen heimlichen nächtlichen
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