Der Traum der Hebamme / Roman
noch offene Rechnung bezahlt wurde.
»Es sei denn, Ihr wäret endlich mein Schwiegersohn. Setzen wir den Termin für die Hochzeit auf der Stelle fest, und ich werde Euch mit ausreichend Männern beistehen. Gemeinsam weisen wir Euren angriffslustigen Bruder ein für alle Mal in die Schranken.«
»Wünscht Ihr die Vermählung noch, bevor wir in die Schlacht ziehen?«, fragte der Weißenfelser mit undurchdringlicher Miene.
»Wir wollen die schicksalhafte Verbindung unserer beiden Häuser doch in aller angemessener Pracht feiern, und das bedarf einiger Vorbereitung«, entschied der Landgraf. »Sagen wir: in sechs Wochen. Bis dahin sollte Euer Bruder zurückgeschlagen sein. Ich stelle dreitausend Bewaffnete auf. Und Eure Leibwachen werden schon dafür sorgen, dass Ihr die Kämpfe wohlbehalten übersteht, damit die Hochzeit nicht etwa wegen des Todes des Bräutigams ausfällt und ihr Euer Wort nicht einlösen könnt.«
Er zeigte ein grimmiges Lächeln, und nun fühlte sich Dietrich noch mehr gedemütigt.
»Wie Ihr wünscht.« Etwas anderes zu sagen, blieb ihm nicht übrig. Allein konnte er Albrecht nicht aufhalten. Wenn er jetzt zögerte, würde sein ganzes Land verwüstet und starben alle, die seine Bewohner verteidigen wollten.
»Sehr gut«, konstatierte Hermann, mit einem Mal deutlich besser gelaunt.
»Schlotheim!« Der thüringische Truchsess trat näher und verbeugte sich.
»Bereitet alles für eine Hochzeitsfeier vor!«
Dann winkte er seinen Marschall heran. »Eckartsberga, Ihr ruft alles zusammen, was wir binnen einer Woche an Kämpfern aufbieten können. Heute noch sollen ein Mann Eures Vertrauens und dieser Bernhard Richtung Meißen aufbrechen und den Markgrafen auffordern, unverzüglich sämtliche Angriffe gegen meinen Schwiegersohn einzustellen. Sonst werden wir Truppen gegen ihn schicken.«
Während sich Heinrich von Eckartsberga nach einer tiefen Verbeugung sofort entfernte, um alles Nötige zu veranlassen, erklärte Hermann: »Gott hat uns einen Beobachter des Kaisers geschickt, einen Ministerialen namens Bernhard. Gegen dessen Ermahnung kann Euer Bruder nicht verstoßen, wenn er die Gunst des Kaisers behalten will.«
Dann entließ er den künftigen Schwiegersohn mit einer gönnerhaften Geste. »Geht und erholt Euch von den Anstrengungen der Reise. Heute Abend werdet Ihr an der Tafel an meiner Seite sitzen, und neben Euch Eure Braut. Eine gute Gelegenheit für Euch, meine Jutta näher kennenzulernen.«
Dietrich würde lieber sofort heimkehren, um alles für die Verteidigung von Weißenfels vorzubereiten. Doch das wäre eine grobe Unhöflichkeit gewesen. Er musste Norbert und Thomas vertrauen, gute Miene zum Spiel machen und sich bis morgen mit der Abreise gedulden. Und hoffen, dass sein Bruder nicht gegen Weißenfels vorrückte, während er hier noch festsaß.
Marthe wartete schon vor dem Palas auf ihre Tochter. Selbst auf einer so großen Burg wie der Wartburg sprach sich die Ankunft eines Fürsten mit seiner Geliebten in Windeseile herum.
Die nun vierjährige Änne rannte ihrer Großmutter jubelnd entgegen, umhalste sie und ließ sich von ihr im Kreis herumschwenken. Dann knickste sie höflich vor ihrem Großvater, der es leid war, sich vor seiner Enkelin würdevoll zu geben, und ihr hingerissen lächelnd mit einer scherzhaften Bemerkung über das kastanienbraune Haar strich.
Er vergewisserte sich, dass der kleine Dietrich, den Lisbeth auf dem Arm trug, gesund und munter war, und gab seiner Stieftochter einen Kuss auf die Wange.
Clara fühlte sich zutiefst erschöpft von der langen Reise, der Hitze dieses Sommertages und ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft. Wie eine schwarze Wolke drückte ihr das Bewusstsein aufs Gemüt, dass sie nun unweigerlich Dietrich verlieren würde – ihn eigentlich schon verloren hatte.
Lieber hätte sie sich im entlegensten Winkel der Welt verkrochen, als ausgerechnet hier auf der Wartburg lauernden, fragenden und hämischen Blicken ausgesetzt zu sein. Aber sie hatte gewusst, dass dieser Tag kommen würde, und es in Kauf genommen. Nun, da es so weit war, musste sie mit den Folgen leben.
Wie zum Trost tastete sie durch das Leinen ihres Almosenbeutels nach dem schmalen, besonders scharfen kleinen Messer, das Guntram ihr geschmiedet und vor dem Aufbruch geschenkt hatte. Wehmütig erinnerte sie sich an ihr letztes, kurzes Gespräch. Er hatte noch gescherzt, einer anderen Dame hätte er eine Fibel oder einen Ring gefertigt, aber so, wie er sie kenne, würde
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