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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Hitze und Anstrengung flammend rot war.
    Kuno unternahm einen verzweifelten Versuch, die Sache zu verharmlosen. »Für jemanden, der tot gilt, bin ich recht lebendig … Es ist noch ziemlich viel an mir dran …«, ächzte er leise und hob die verstümmelte Hand.
    Bertram hievte sich Kunos Arm über die Schulter und führte den Freund zu einem Baumstamm, an den er sich lehnen konnte. Dann lief er zum Wasserfass.
    Die ganze Zeit über hatte Marthe gebangt, unter denjenigen, die zu ihr gebracht wurden, könnte jemand sein, der ihr besonders nahe stand. Ihre Söhne, ihr Mann, Dietrich …
    Diese Ahnung irgendeines schrecklichen Ereignisses wollte einfach nicht weichen, und in ihrer rechten Schläfe fühlte sie die ganze Zeit schon einen so stechenden Schmerz, dass sie kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte. Vielleicht sollte sie besser auch etwas trinken bei dieser Hitze und all der Plackerei, die viel zu oft umsonst war, denn nur den wenigsten Männern, die zu ihr gebracht wurden, konnte sie helfen. Es waren zu viele, und die meisten hatten so furchtbare Wunden, dass sie ihnen unter den Händen weg verbluteten oder schon auf dem Weg hierher starben.
    Vorhin war Raimund zu ihr getragen worden, dem Blut aus einer Wunde am Kopf strömte. Er war immer noch bewusstlos, und sie konnte nicht sagen, ob er durchkommen würde. Während sie sich um Raimund gekümmert hatte, waren neben ihr zwei junge Männer gestorben; einer mit einer klaffenden Wunde am Bein, dem anderen steckte eine Lanzenspitze im Schulterblatt. Sie musste sich entscheiden, wem von den dreien sie eine Überlebenschance gewährte, und fühlte sich schuldig, weil sie Raimund wählte und nicht die beiden Jüngeren. Aber sie hatte Elisabeths Gesicht vor Augen und ihre Worte in den Ohren: »Sorge dafür, dass die Männer überleben!«
    Ein paar Schritte weiter vorn hatten die Knechte begonnen, Gräber auszuheben. Lange Gräber, in die jeweils fünf Dutzend Leichname nebeneinandergelegt wurden. Jetzt packten die Totengräber schon die zweite Schicht darüber. Vom Ende des Massengrabs erscholl panisches Geschrei – sie hatten wohl einen noch Lebenden hineingeworfen, der erst bei dem Sturz aus der Bewusstlosigkeit erwachte.
    Es zog Marthe dorthin, um nachzuschauen, wen von den Toten sie kannte, und zugleich fürchtete sie sich davor.
    Doch sie konnte jetzt ohnehin nicht gehen, da kauerte schon der nächste Verwundete vor ihr, ein dicker Ritter mit blutverschmiertem Gesicht, der seiner gekrümmten Haltung nach schlimme Schmerzen verspüren musste. Seine rechte Hand hielt er unter die Achsel gepresst, vielleicht aus Schmerz, vielleicht, um den Blutfluss zu mindern.
    »Zeigt mir Eure Hand!«, forderte sie ihn auf und legte so viel Ermutigung in ihre Stimme, wie sie nur konnte.
    »Aber gern!«, entgegnete der Ritter.
    Marthe kam nicht dazu, sich über diese Antwort zu wundern, denn sie erkannte die Stimme sofort. Sie schrie und stürzte rücklings, als ihr Gegenüber mit dem Messer zustach, das er unter dem Arm verborgen hatte.
    Doch die Klinge verfehlte das Ziel. Bruno von Hörselberg, der den Tross bewachte, war wie aus dem Nichts aufgetaucht und hatte sie dem Mordlustigen aus der Hand getreten. Der brüllte vor Schmerz und kippte zur Seite.
    »Wusste ich doch, dass ich bei unseren Leuten noch keinen so fetten Kerl wie dich gesehen hatte!«, schrie der alte Wallfahrer, während er den Feisten überwältigte. Ein Knecht warf ihm Stricke zu.
    »Kennt Ihr diesen Mann?«, fragte Bruno. »Was wollte er von Euch?«
    »Ich kenne ihn«, sagte Marthe tonlos, die nun auf dem Boden kniete und versuchte, ihren Schrecken abzuschütteln. »Das ist der Schenke des Meißner Markgrafen.«
    Und in Gedanken fügte sie an: Der Mann, der mich vor vielen Jahren zusammen mit seinen Kumpanen Randolf, Ekkehart und Elmar wieder und wieder geschändet hat. Der in seiner Boshaftigkeit unzähligen Menschen unsägliches Leid zufügte.
    Sein Gesicht hatte sie unter dem Helm und all dem Blut nicht erkannt. Aber seine Stimme würde sie immer wieder erkennen.
    »Stimmt das? Seid Ihr der Mundschenk?«, fragte Hugo, den diese Auskunft nicht milder, sondern eher strenger zu stimmen schien.
    »Ja!«, gab Giselbert zu. Bis eben noch hätte er keinen Pfennig mehr für sein Leben gegeben; sein Pferd war verloren, ebenso seine Begleiter, und zu Fuß weiterzukämpfen, empfand er als unter seiner Würde. Plötzlich hatte er ganz allein auf dem Schlachtfeld gestanden, und Blut sickerte unter seinem

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