Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
Vom Netzwerk:
gehalten, würden ihn auf äußerst schmerzhafte Weise erblinden lassen, ohne sein Aussehen zu entstellen.
    Da fühlte sich der Markgraf von Meißen wie jemand, auf den der Gegner noch eintrat, obwohl er schon am Boden lag.
    Fassungslos musste sich Albrecht eingestehen, dass er auf verlorenem Posten stand. Es war zwecklos, länger zu warten und auf Gnade zu hoffen.
    Zudem leerte sich seine Reisekasse viel schneller als gedacht. Unsummen an Bestechungsgeldern waren verschleudert, und angesichts der wunderschönen sizilianischen Seidenbrokate hatte Sophia ihre Sprache wiedergefunden und darauf bestanden, sich damit einzukleiden, um nicht wie eine Bettlerin am Hof zu erscheinen.
    Er musste schon einige Edelsteine gegen Silber eintauschen, um sich eine standesgemäße Heimreise leisten zu können.
    Als auch noch das Gerücht aufkam, es gebe eine Verschwörung des sizilianischen Adels gegen den Kaiser, ließ Albrecht alles zu seiner Abreise vorbereiten.
    Sobald es das Wetter erlaubte, segelte er mit seinem Gefolge zum Festland und zog über die Alpen heimwärts.
    Er hatte unterwegs viel Zeit und Gelegenheit, Rachepläne zu schmieden. Wieder und wieder stellte er in Gedanken Truppen auf, ordnete sie zu Schlachtformationen an, wog das taktisch klügste Vorgehen ab. Er würde die Mark Meißen verteidigen – gegen den Kaiser, gegen die aufständischen Ministerialen, gegen das Pleißenland und gegen seinen Bruder. Und falls er dafür nicht genug Männer aufbieten konnte, falls sich auch zu Hause das Schicksal gegen ihn wendete – nun, wenn
er
nicht über das Land herrschen konnte, sollte es auch kein anderer bekommen.
    Lieber ließ er alles niederbrennen.

Unerwarteter Besuch
    D er staubbedeckte Reiter, der sich an diesem Tag Anfang Juni des Jahres 1195 der Weißenfelser Burg näherte, trug trotz der Frühlingswärme die Bundhaube tief ins Gesicht gezogen und eng zusammengebunden. Ein aufmerksamer Betrachter hätte bemerkt, dass seine Waffen deutlich edler waren als sein schlichter Bliaut.
    Nachdem er das Tor passiert hatte, stieg er ab und sagte dem Stallburschen, der auf ihn zukam: »Ich suche Lukas von Freiberg. Ist er hier?« Zögernd fügte er hinzu: »Ein Verwandter möchte ihn sprechen. Dringend.«
    Der Stallbursche verneigte sich rasch und sah zum hinteren Teil des Hofes. »Er leitet dort die Waffenübungen der jüngeren Knappen. Wollt Ihr mich zu ihm begleiten oder in der Halle warten, edler Herr? Dort bringt man Euch auch etwas zu essen und zu trinken.«
    Der Fremde hatte den Gesuchten schon entdeckt – zu seiner großen Erleichterung und Zufriedenheit. Er wollte seinen Aufenthalt in Weißenfels so kurz wie möglich halten. Und auf keinen Fall durfte er erkannt werden.
    »Ich warte hier auf ihn. Den Hengst lass bei mir. Ich muss gleich wieder los.«
    Der Stallbursche gab sich Mühe, sich nichts von seinem Erstaunen darüber anmerken zu lassen. Dieser Mann und sein Pferd hatten eine anstrengende Reise hinter sich, das war nicht zu übersehen. Er rief einem der Knechte zu, einen Eimer Wasser für den Hengst des Gastes zu bringen, dann lief er zu der Gruppe der Knappen, die unter Lukas’ strenger Aufsicht Huten und Konterhuten übten.
    »Ihr seid so unsäglich langsam, dass ihr euch besser gleich ergebt, solltet ihr auf einen Feind treffen«, tadelte Lukas gerade die Jungen. »Das spart allen Mühe.«
    Er forderte einen Vierzehnjährigen auf, sich ihm gegenüber aufzustellen und ihn mit einem Oberhau anzugreifen. Blitzschnell wehrte er den Schlag ab und entwaffnete den Jungen mit einer einzigen fließenden Bewegung.
    »Habt ihr gesehen? Jetzt ihr!«
    Er führte das Manöver noch einmal langsam vor, dann ließ er die Jungen erneut miteinander üben.
    Während er sie beobachtete, sah er den verhüllten Fremden mitten auf dem Hof stehen und einen Stallknecht auf sich zukommen, der ihm ausrichtete, ein Verwandter wolle ihn dringend sprechen.
    Gespannt, was sich daraus ergeben würde, überließ er die Knappen der Aufsicht von Norberts ältestem Sohn. Boten, die keinen Namen nannten und die Zügel ihres Pferdes gar nicht erst aus der Hand gaben, verhießen in der Regel kaum Gutes. Und ein Verwandter war das bestimmt nicht – sein Bruder war etwas kleiner als der Mann auf dem Hof, sein Neffe magerer.
    Als er nah genug heran war, um dem anderen ins Gesicht sehen zu können, zog er überrascht die Augenbrauen hoch. Es war tatsächlich ein Verwandter, wenn auch kein leiblicher.
    »Der Bart macht dich älter«, sagte er

Weitere Kostenlose Bücher