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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Gefangenen ins Gesicht. »Was hattet Ihr mit dem Anführer der Thüringer zu bereden, gleich nachdem man Euch in die Burg gelassen hatte?«
    Sie haben einen Spion da oben!, durchfuhr es Raimund. Oder jemand hat sich hierher geschlichen und ihnen verraten, was er gesehen hat. Aber derjenige weiß nicht, dass es Lukas war, mit dem ich gesprochen habe. Er hält ihn für einen Thüringer. Elmar ahnt vielleicht nicht einmal, dass Lukas überhaupt noch lebt …
    »Er … hat mir erzählt, dass mein Sohn tot ist«, keuchte er.
    Auch wenn es ihn doppelt schmerzte, Elmar diese Schwäche zu zeigen – wahrscheinlich wusste der es längst. Auch Raimund hatte Thomas an der Furt erkannt, und ganz sicher würde sich der gewiefte Truchsess zwei und zwei zusammenzählen.
    »Euer Sohn? Der Pferdedieb, der sich bei Nacht und Nebel davongeschlichen hat?«, erkundigte sich der Truchsess voller Häme. »Hat ihn also endlich sein gerechtes Schicksal ereilt? Sagt, wie und wo ist es geschehen?«
    Als Raimund trotzig schwieg, weil er es einfach nicht über sich brachte, seinen Sohn zu verleumden, gab Elmar dem anderen der beiden Ritter einen Wink.
    Halbherzig trat Jakob dem Gefangenen in die Seiten, der um Jakobs willen noch lauter stöhnte, als er musste. Mittlerweile schmerzte sein Körper dermaßen, dass er ihm wie eine einzige Wunde vorkam.
    »Ich erwarte ein bisschen mehr Einsatz von Euch!«, tadelte Elmar Lukas’ jüngeren Bruder. »Brecht ihm den Arm!«
    Doch da tat Jakob etwas, womit niemand gerechnet hatte. »Ich bin kein Folterknecht«, protestierte er und trat einen Schritt zurück.
    Elmar verschränkte die Arme vor der Brust und beäugte den unerwartet Aufsässigen wie ein Insekt, das er gleich zertreten würde.
    »Wollt Ihr etwa sein Schicksal teilen?«, fragte er drohend. »Bei näherer Betrachtung kann ich mir Eurer Loyalität nicht sicher sein angesichts Eurer Herkunft.«
    Ob es nun der Widerwillen gegen die Behandlung Raimunds war oder die Angst davor, auch in Ketten gelegt und gefoltert zu werden – plötzlich brandete etwas in Jakob auf, das er längst vergessen glaubte … ein Stück Aufruhr, geboren aus purer Verzweiflung.
    »Habe ich Euch nicht alle die Jahre treu gedient?«, schrie er Elmar an, der angesichts solch dreister Übertretung überrascht ein winziges Stück zurückfuhr. »Habe ich nicht meinen Bruder verleugnet, längst bevor er sich Euren Zorn zuzog? Und ist mein Bruder nicht tot, Gott sei seiner Seele gnädig? Was muss ich denn noch alles tun, damit Ihr mir endlich glaubt?«
    Elmar, der sich schnell wieder fasste, musterte den Aufsässigen mit eiskaltem Blick.
    »Legt den auch in Fesseln!«, befahl er dem Knecht und dem zweiten Ritter. »Und sollte er den geringsten Widerstand leisten, schlagt ihm den Kopf ab.«
    Diese Drohung war es, die Jakob mitten in der Bewegung erstarren ließ. Statt sich zu wehren, sackte er in die Knie und duldete, dass ihm die Waffen abgenommen und die Arme auf den Rücken gebunden wurden. Sein unerwarteter Widerstand fiel jäh in sich zusammen.
    Der Truchsess trat ganz dicht an den Gefesselten heran und starrte von oben auf ihn herab.
    »Damit ich Euch trauen kann, hättet Ihr mir vielleicht erzählen sollen, dass Eures Bruders Brut dort oben steckt! Nicht seine leibliche, aber der Pferdedieb und die Hure des Reinhardsbergers.«
    Aufmerksam betrachtete er die fassungslose Miene des zweiten Gefangenen und schlug ihm ins Gesicht. Dann drehte er sich ohne ein weiteres Wort um und ging hinaus. »Vier Wachen hierher«, befahl er vor dem Zelt. »Ihr haftet mit dem Kopf dafür, dass keiner von beiden entkommt! Verräterpack, allesamt«, knurrte er missgelaunt.
    »Stimmt es? Sind wirklich Clara und Thomas da oben?«, flüsterte Jakob Reinhard zu, immer noch vollkommen verblüfft. »Wie …?«
    »Ja. Aber halt einfach das Maul!«, ächzte Raimund. »So sehr ich dein Entgegenkommen schätzen sollte – es war ein denkbar schlechter Moment dafür, plötzlich Heldenmut zu entwickeln!«
    Er würde sich hüten, dem Mitgefangenen zu berichten, dass sein Bruder sehr wohl noch lebte und auch Marthe auf der Burg war. Es fiel ihm schwer zu glauben, dass Jakobs Beistand den Abend oder auch nur Elmars nächsten Besuch überdauerte.
    Ohne das unerwartete Eingreifen von Lukas’ Bruder hätte er die nächste Gelegenheit ergriffen, um zu fliehen, sofort zu Elisabeth zu reiten und mit ihr das Land zu verlassen. Seit er wusste, dass sein Sohn tot war, hielt ihn nichts mehr in der Mark Meißen.

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