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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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fürchtete.
    »Wenn man wirklich liebt, ist einem das Leben des anderen wichtiger als das eigene«, sagte Marthe.
    Ein Schwarm Krähen stieg ein paar Dutzend Schritte entfernt lärmend von einem Mauerabschnitt auf.
    Totenvögel, dachte Clara schaudernd. Unheilverkünder. Aber es war wohl nur das Zeichen dafür, dass Kuno und Bertram von ihrem Auftrag zurückkehrten. Schon liefen ein paar Bewaffnete zu dem geheimen Durchschlupf, um sie einzulassen.
    »Ja, dein Vater hätte es verstanden«, wiederholte Marthe. »Und ich verstehe es auch. Dietrich muss genau wie Christian damals in einen Kampf auf Leben und Tod ziehen. Aber dabei hat er nicht die Freiheit, dich zu wählen …«
    Marthe rückte sich Schleier und Schapel zurecht, dann stand sie auf. Clara tat es ihr gleich. Der Moment der Zurückgezogenheit war vorbei. Bevor sie gingen, um sich wieder um ihre Pflichten zu kümmern, hielt Marthe ihre Tochter noch einmal zurück.
    »Du darfst es Lukas nicht verübeln, wenn er das nicht versteht. Dein Vater entstammte ärmsten Verhältnissen, bevor er wegen des Opfertodes seines Vaters zum Ritter ausgebildet wurde, was niemand wissen durfte. Dadurch hatte er eine andere Sicht auf viele Dinge. Lukas dagegen stammt aus einem alteingesessenen, edlen Geschlecht und gehört durch und durch seinem Stand an … unserem Stand, wie ich nun sagen muss. Er macht sich Sorgen um dich. Er will dich behütet wissen. Denk darüber nach, ob du nicht vielleicht doch damit leben könntest, die Frau Norberts oder seines Sohnes zu werden. Es sind zuverlässige Männer.«
    Auf keinen Fall!, dachte Clara, ohne sich etwas davon auf ihrem Gesicht ansehen zu lassen. Ich habe schon einmal aus Pflichtgefühl geheiratet. Und jetzt, da Dietrich wieder da ist, könnte ich niemals das Bett mit einem anderen teilen.
    Kuno und Bertram liefen geradewegs auf sie und ihre Mutter zu.
    »Das hat gewaltigen Spaß gemacht«, verkündete Kuno grinsend.
    »Nur um den Honig ist es schade«, ergänzte Bertram. »Der ist diesen Mistkerlen nicht zu gönnen. Aber ich schätze, so schnell werden sie auch keinen Appetit darauf haben.«
    »Was wollt ihr mir berichten?«, erkundigte sich Marthe, die wusste, dass die beiden nicht nur zum Prahlen gekommen waren.
    »Soweit wir mitbekommen haben – Euer Freund Raimund ist in Schwierigkeiten«, erklärte Kuno mit nun sehr ernster Miene.
    »Wie groß sind diese Schwierigkeiten?«, fragte Marthe besorgt.
    »Sie haben ihn in Fesseln gelegt und wollen durch Folter aus ihm herausbekommen, ob er uns etwas verraten hat, das wir nicht wissen dürfen, und ob er denen da oben etwas verschweigt, das ihnen bei der Einnahme der Burg helfen könnte.«
    Clara schrie leise auf.
    »Wer soll das aus ihm herausprügeln?«, hakte Marthe nach. Das war eine wichtige Frage. Sofern nicht persönliche Feindschaften im Spiel waren, gingen Ritter des gleichen Lagers nicht auf diese Weise miteinander um. Andererseits stand hier der Vorwurf des Verrats im Raum. Nur der Gedanke, dass Albrecht sicher so viele Auskünfte wie möglich wollte, ließ sie die Furcht unterdrücken, Raimund könnte inzwischen schon hingerichtet sein.
    »Ich gab ihm heimlich ein Zeichen, bevor sie ihn ins Zelt schafften«, berichtete Kuno. »Aber er hat den Kopf geschüttelt. Ihr kennt ihn besser: Heißt das nun, er wird nichts verraten? Oder dass wir nichts unternehmen sollen?«
    »Sie haben seine Frau als Geisel«, erklärte Marthe gequält. »Deshalb will er nicht, dass wir etwas unternehmen. Wir können nur beten, dass er durchhält … bis Albrecht zu dem Schluss kommt, er habe alles erfahren … oder seine Ratgeber ihm klarmachen, dass er nicht so gegen die eigenen Leute vorgehen kann.«
    Sie sprach nicht aus, was sie alle wussten und gerade dachten: Raimund war ein tapferer Mann. Aber wer es darauf anlegte, konnte mit der Folter jeden brechen.
    »Euer Schwager, der Marschall, hat ihn zwei Rittern aus Meißen übergeben«, berichtete Kuno. »Den einen konnte ich erkennen: Jakob, den Bruder des Herrn Lukas.«
    Das war eine Neuigkeit, die Marthe noch einmal zusammenzucken ließ.
    Jakob, Lukas’ jüngerer Bruder, hatte seit dem Ende seiner Knappenzeit so oft die Seiten gewechselt, dass einem schon schwindlig werden konnte. Bei ihrer letzten Begegnung – als Lukas nach seiner Flucht aus dem Kerker Marthe suchte – gab Jakob seinem Bruder eindeutig zu verstehen, dass er sich ergebenst auf Albrechts Seite stellen würde, um seinen Söhnen das Erbe zu erhalten. Und wenn Lukas

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