Der Traum der Hebamme / Roman
morgen mit Euren Leuten zurück nach Eisenach? Ich werde heute noch meinem Bruder die Kapitulationsbedingungen übermitteln lassen. Den Friedensschwur soll er morgen leisten. So lange könnte ich ein paar von Euren Leuten brauchen, um die Gefangenen zu bewachen.«
Der bestens gelaunte thüringische Marschall hatte keine Eile heimzureiten. »Wir schicken einen Boten, um dem Landgrafen von unserem Sieg zu berichten. Dann wird er wohl noch ein paar Tage auf uns verzichten können. Ich habe schon viele Schlachten geschlagen, aber keine davon war so unterhaltsam wie diese – um nicht zu sagen: erbaulich«, meinte er lächelnd. »Auf keinen Fall möchte ich verpassen, wenn Euer stolzer Bruder zähneknirschend seine Niederlage eingesteht. Meinen Männern wird es nicht anders gehen. Ganz abgesehen davon werden Euch einhundert thüringische Ritter als Eideszeugen gewiss von Nutzen sein.«
»Ich stehe auf immer in Eurer Schuld«, entgegnete Dietrich dankbar, doch der Thüringer tat das mit einer Handbewegung ab.
»Wen schickt Ihr als Unterhändler? Und was fangt Ihr mit Gottfried an?«, fragte Norbert.
»Das klären wir sofort«, meinte Dietrich mit finsterer Miene und forderte seinen Kommandanten auf, ihm zu folgen.
Vor allen anderen Dingen, die nun zu regeln waren, wollte Dietrich zuerst eines: seinen verräterischen Verwalter aus den Augen haben.
Gemeinsam mit Norbert stieg er hinunter ins Verlies.
Gottfried, in den wenigen Tagen scheinbar um Jahre gealtert, sank auf die Knie, rang die Hände und wollte um Gnade bitten, doch Dietrich zwang ihn mit einer Geste zu schweigen. Er mochte kein einziges Wort mehr aus dem Mund des Verräters hören.
»Ihr und Euer Weib seid mit sofortiger Wirkung verbannt«, verkündete er hart. »Wegen Eurer früheren Verdienste ist Euch gestattet, Euer persönliches Eigentum mitzunehmen. Ihr werdet die Burg und dieses Land auf der Stelle verlassen. Sollte ich Euch noch einmal zu Gesicht bekommen, werdet Ihr als Verräter nicht mehr auf Gnade stoßen.«
Ohne auf die unterwürfigen Dankesbezeugungen seines einstigen Verwalters zu achten, drehte er sich um und stieg wieder hinauf. Norbert, der die gleiche Verachtung wie Dietrich fühlte, vielleicht sogar noch mehr, da er Gottfried die ganzen letzten Jahre um sich gehabt hatte, wies zwei seiner Ritter an zu überwachen, dass der Befehl umgehend ausgeführt wurde.
Danach ging Dietrich zusammen mit ihm in die Kammer, wo der meißnische Marschall untergebracht worden war.
Gerald erhob sich und sank auf ein Knie, als er die beiden Männer eintreten sah.
Dietrich bemerkte, dass der Gefangene seine verbundene rechte Hand mit der linken stützte und sich krampfhaft bemühte, seine Schmerzen nicht zu zeigen.
»Fühlt Ihr Euch in der Lage, in den Sattel zu steigen und nach Burgwerben zu reiten, um meinem Bruder die Kapitulationsbedingungen zu überbringen? Oder soll sich die Herrin von Reinhardsberg noch einmal um Eure Verletzung kümmern?«
»Das dürfte vergebliche Mühe sein«, meinte Gerald bitter. »Selbst wenn ich die paar Meilen bis dahin schaffe – mein Leben wird dann wohl keinen Pfifferling mehr wert sein.«
Daran glaubte er wirklich. Und falls sich schon jemand seiner Verletzungen annahm, wäre es ihm tausendmal lieber, wenn Marthe dies täte. Sie würde ihm vielleicht zugutehalten, dass er Lukas zur Flucht aus Albrechts Kerker verholfen hatte. Clara dagegen hatte viele Gründe, ihn zu hassen. Aber er war jetzt nicht in der Position, Wünsche zu äußern.
»Dies sind die Forderungen, die Ihr meinem Bruder übermitteln sollt«, erklärte Dietrich und begann aufzuzählen.
Als er damit fertig war, brachte Gerald nur noch eines heraus: »Es ist wirklich nicht nötig, dass mir jemand die Hand richtet.«
Kuno und Bertram hatten die Schlacht ohne größere Blessuren überstanden und das feierliche Zeremoniell auf dem Burghof begeistert verfolgt. Nun gesellte sich Guntram zu ihnen; das Schmiedefeuer würde er erst morgen wieder entfachen.
»Wisst ihr, woran ich die ganze Zeit schon denken muss?«, fragte Kuno die beiden versonnen.
»Wie du an den größten Becher kommst, wenn gleich das Bier ausgeschenkt wird?«, mutmaßte Bertram fröhlich.
»Nein, an meine Mutter«, sagte Kuno zu dessen Erstaunen.
»Die alte Grete?«, vergewisserte sich Bertram, der die Gedankenzüge seines Freundes in diesem Augenblick nicht nachvollziehen konnte. Kunos Ziehmutter war schon viele Jahre tot, erstochen von Christians Erzfeind
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