Der Traum der Hebamme / Roman
Frage stellen durfte, die ihm auf der Seele brannte.
»Segeln wir heim?«
»Nein. Viele Fürsten forderten das. Aber der Erzbischof von Mainz erinnerte uns alle mit eindringlichen Worten daran, dass es einen König gibt: den jungen Friedrich von Hohenstaufen, dem wir alle vor dem Aufbruch ins Heilige Land die Treue schworen. Diesen Schwur haben wir soeben erneuert und werden entsprechend Nachricht in die Heimat senden.«
»Dann ist die Regentschaft des Jungen unangefochten?«, fragte Thomas ungläubig.
Der Graf zog die Augenbrauen hoch. »Vorerst. Wir müssen warten, wie sich die Dinge weiter entwickeln. So Gott will, gibt es keinen Krieg um den Thron.«
Zu den nächsten wichtigen Zusammenkünften des Rates nahm Dietrich Thomas als Leibwache mit. Während das Fußvolk die Mauern von Beirut wieder aufbaute, fassten die Fürsten wichtige Entschlüsse.
Da das Amt des Kanzlers mit dem Tod desjenigen erlosch, der es verliehen hatte, war Konrad von Querfurt plötzlich nur noch Bischof von Hildesheim und wurde nicht mehr als würdig erachtet, die geplante Krönung Leos von Armenien vorzunehmen. Diese Aufgabe übertrugen die Fürsten dem Erzbischof von Mainz, den Heinrich von Schwarzburg dabei begleiten würde.
Heinrich von Kaldens Oberbefehl über die sechstausend Mann, die der Kaiser ins Heilige Land geschickt hatte, stellte allerdings niemand in Frage. Jene sechstausend würden dem gnadenlosen Marschall überallhin folgen, auch wenn er den Titel offiziell nicht mehr trug.
Die einheimischen Barone ernannten Johann von Ibelin, den ältesten Sohn Balians, zum Herrscher Beiruts.
Amalrich von Zypern landete in Beirut und wurde von den christlichen Herrschern des Landes zum König von Jerusalem gewählt – ein geheimer Triumph des Erzbischofs und des einstigen Kanzlers, der Amalrich erst kurz zuvor im Auftrag des Kaisers zum König von Zypern gekrönt hatte.
Vor der Krönung war Amalrich mit der Witwe Heinrichs von Champagne vermählt worden, um seinen Thronanspruch zu untermauern. Isabella war die eigentliche Erbin Jerusalems, Tochter eines Königs und Halbschwester des Königs Balduin und der Königin Sibylla.
Bei dem Anblick der noch jungen, schönen Frau, deren Gesicht wie zu Stein erstarrt war, musste Thomas an Eschivas Worte denken. Sie hatte ihn dazu gebracht, die Dinge einmal aus weiblicher Sicht zu betrachten.
Die alles andere als glücklich wirkende Isabella wurde tatsächlich wie ein Ding – wenn auch ein sehr kostbares – ohne eigenen Willen von einem zum anderen weitergereicht, der König werden sollte, als unerlässliches Beiwerk. Jetzt, nur ein paar Wochen nach dem Tod ihres dritten Mannes, sollte sie diesen Amalrich im Bett empfangen und ihm Söhne gebären. Amalrich war schon weit über fünfzig, doppelt so alt wie Isabella, und im Gegensatz zu Heinrich von Champagne kein besonders einnehmender Mann.
Mir hat wohl die Liebesheirat meiner Eltern ein wenig den Blick dafür getrübt, dass Ehen nicht aus Liebe, sondern aus politischen Interessen vereinbart werden, gestand sich Thomas ein.
War Dietrich nicht auch aus militärischer Notwendigkeit heraus gezwungen, die Tochter des Landgrafen von Thüringen zu heiraten?
Er wird sich schon mit der kleinen Jutta zu trösten wissen, zischte eine gehässige Stimme in Thomas. Dabei wusste er, dass dies ungerecht war. Nicht nur Clara litt unter der erzwungenen Trennung, auch Dietrich. Das hatte er an den sehnsuchtsvollen Blicken gesehen, mit denen der Graf seiner Schwester folgte, auch wenn er sich das nicht anmerken lassen wollte. Aber Thomas kannte ihn zu gut und beobachtete zu genau, um sich täuschen zu lassen.
Vielleicht begann er gerade, Dietrich zu verzeihen.
Das heutige Treffen des Kriegsrates war so bedeutend, dass Dietrich Thomas die wichtigsten Äußerungen leise übersetzte. Es ging darum, ob das Heer nun endlich gegen Jerusalem ziehen würde, worauf die Mehrzahl der Deutschen drängte. Die einheimischen Barone wollten sie jedoch wieder zurück nach Tyros schicken.
»Wir haben Jaffa verloren, aber Beirut gewonnen«, erklärte Hugo von Tiberias. »Nutzen wir die Lage lieber für einen erneuten Friedensschluss mit al-Adil!«
»Auch wir raten ab, die Einnahme Jerusalems zu versuchen«, stimmte Gilbert Hérail ihm zu, der Großmeister des Templerordens.
»Mein Orden sieht es genauso«, hörte Thomas mit Erstaunen den Großmeister der Johanniter sagen, Geoffroy de Donjon.
Wenn beide Ritterorden einer Meinung waren, schienen hier neue
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