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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Zeiten angebrochen zu sein.
    Schließlich kam der Kriegsrat überein, zunächst das Binnenland entlang der eroberten Küste zu sichern, ehe man an die Eroberung Jerusalems denken könne.
    Also setzte sich Ende November das Heer wieder nach Süden in Marsch, zunächst Richtung Tyros, dann landeinwärts auf der Straße nach Damaskus. Und hier verbiss es sich, etwa einen Tagesmarsch südlich von Tyros, bei der Belagerung der Bergfestung Tibnin.

1. Februar 1198 vor der Festung Tibnin
    D ies war also die letzte Nacht.
    Die Nacht vor der Schlacht.
    Der Himmel war von Wolken bedeckt, kein Stern zeigte sich, nicht einmal der auf dem Rücken liegende Mond. Der Wind fauchte über die Ebene vor der Bergfestung, in der das Heer lagerte, und ließ die kleinen Feuer heftig flackern, an denen die Männer saßen, um sich gegenseitig Mut zu machen oder zu prahlen, wie sie morgen endlich dutzendweise Sarazenen erschlagen würden. Dann sei ihnen ein Platz im Paradies gewiss.
    Unentschlossen ging Thomas zwischen den Zelten entlang. Hermann von Salza und einige andere Thüringer luden ihn ein, sich zu ihnen zu setzen, aber er vertröstete sie auf später. Er müsse erst noch die Beichte ablegen. Das war zu ernst, um als Entschuldigung nicht akzeptiert zu werden.
    Schließlich stand morgen die große Schlacht bevor, da sollte man mit Gott und sich im Reinen sein.
    Schon ganze zwei Monate belagerten sie ergebnislos die stark bemannte Bergfestung, von der aus die Straße zwischen Tyros und Damaskus beherrscht wurde. Sie mussten sie einnehmen, wenn sie nicht mit feindlichen Truppen im Rücken weitermarschieren wollten.
    Die Streitmacht unter Heinrich von Brabant hatte die Festung schnell umschlossen, noch Ende November. Die Besatzung war bereit, die Burg zu übergeben, wenn sie dafür freien Abzug in Waffen und mit ihrer Habe erhielt. Doch der Kriegsrat lehnte ab. Die gewaltsame Erstürmung der Burg würde beim Feind mehr Eindruck hinterlassen, außerdem wolle man nicht auf Beute verzichten.
    Weitere Verhandlungen wurden aufgenommen und wieder abgebrochen, Vorschläge unterbreitet und zurückgezogen, und niemand begriff so recht, warum beide Seiten die Gespräche dermaßen hinauszögerten.
    Weihnachten stand die Burg ein zweites Mal kurz vor der Übergabe. Doch von Notker erfuhr Thomas zu seiner Entrüstung, dass fränkische Ritter aus der Umgebung den Sarazenen geraten hätten, lieber weiterzukämpfen, statt sich zu ergeben, denn diese Deutschen würden mit Besiegten keine Gnade kennen.
    »Sie fürchten zu sehr, Saladins Bruder und dessen Neffen könnten zu einem gewaltigen, blutigen Krieg aufrufen, falls es bei der Einnahme der Feste zu einem Gemetzel kommt«, hatte Notker ihm zugeraunt, der mit den Sprachen und der Denkweise der hier Lebenden mittlerweile gut vertraut war.
    Außerdem würde schon bald ein starkes Entsatzheer von Damaskus her anrücken.
    Über der Zeit, die unnütz verstrich, wurde dem Heer der Belagerer der Proviant knapp. Der Feind macht das Umland unsicher, so dass der Herzog von Brabant eine Kolonne mit starkem Geleitschutz nach Tyros schickte, um Nachschub zu holen. Vorhin war sie schwerbeladen zurückgekehrt und mit lautem Johlen begrüßt worden. So mussten die Männer morgen nicht mit leerem Bauch in die Schlacht reiten.
    Jeder im Lager wusste, dass ihnen eine gewaltige Streitmacht entgegenzog, die vom Bruder des Sultans angeführt wurde. Deshalb hatte der Kriegsrat an diesem Abend beschlossen, dass sich das Kreuzfahrerheer am nächsten Tag zur Entscheidungsschlacht stellen würde.
    Morgen also. Werde ich morgen sterben?, fragte sich Thomas. Wird sich so die Ahnung meiner Mutter vollenden? Sie hat sich noch nie in so etwas geirrt.
    Es blitzte am Horizont, doch das Gewitter war zu weit entfernt, als dass er den Donnerschlag hören konnte.
    Was ihm wirklich leidtat: Er hätte so gern Eschiva wiedergesehen, mit ihr seine Tage und Nächte verbracht. Die Erinnerung an ihren schlanken Körper und die Freude, mit der sie ihn empfangen hatte, ließ ihn nicht mehr los. Im Gegenteil, sie wurde fast zur Besessenheit angesichts dessen, dass sie hier die meiste Zeit mit Warten zubrachten. Schon der Gedanke an ihre Brüste, ihre Beine, ihren Leib und ihre zärtlichen Hände brachte ihn schier um den Verstand.
    Nie hätte er sich ein Leben in Enthaltsamkeit weniger vorstellen können als jetzt. Es schien ihm vollkommen unnatürlich, ausgerechnet auf die fleischliche Liebe verzichten zu wollen, obwohl es nicht bloß das Begehren

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