Der Traum des Highlanders
nachdenklicher Stimme fort: »Aber sie hat Gunter deutlich zu verstehen gegeben, wie sich Gewalt aus der Sicht des Opfers anfühlt, oder etwa nicht? Also scheint mein Instinkt richtig gewesen zu sein.«
»Machen Sie eigentlich jemals irgendetwas falsch, MacBain?«
»Nein, nein. Deshalb haben Sie mir schließlich die Jungen anvertraut, oder etwa nicht?«
Marcus stieß ein leises Schnauben aus. »Sie sind hier, weil sonst niemand sie will. Verdammt, nicht mal im Erziehungsheim kamen sie mit Gunter klar.«
»Dort wäre er sowieso nur noch härter geworden, das wissen Sie genauso gut wie ich.«
Marcus schenkte sich nach und nahm einen großen Schluck des beruhigenden Getränks. »Ja, ich weiß. Deshalb habe ich ja auch Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, damit er zu Ihnen kommen kann.«
Robbie lachte auf. »Zurück zu der leidenschaftlichen kleinen Wildkatze, die Sie eben in der Küche erlebt haben.«
»Was ist mit ihr?«
»Sie war schon den ganzen Tag kurz davor zu explodieren. Sie war sich sicher, Sie und Martha würden etwas finden, um Cody, Rick und Peter mitnehmen zu können. Ich glaube, wenn Sie das versucht hätten, hätte sie Hackfleisch aus Ihnen gemacht.«
Marcus schnaubte nochmals auf. »Deshalb hat sie mich den ganzen Nachmittag argwöhnisch angesehen, wenn sie mich nicht gerade mit selbst gebackenen Plätzchen gefüttert hat.« Plötzlich fingen seine Augen an zu blitzen. »Sie … ah … haben doch bestimmt noch Platz für zwei weitere Jungen, oder nicht?«
»Nein.«
»Los, MacBain. Schließlich haben Sie ein riesengroßes Haus.«
Robbie stellte seinen Whisky fort, nahm die Füße von der Schreibtischplatte und stand auf. »Ich habe zwölf Männer, die für mich arbeiten und von denen ein paar fast mit ihren LKWs im Graben gelandet wären, als Cat in ihrer ultrakurzen Jogginghose an ihnen vorbeigelaufen ist. Ich habe vier Jungs, die gerade erst beginnen, sich halbwegs anständig zu benehmen, und jetzt auch noch zwei kleine Kinder, die sich bereits erschrecken, wenn sie ihre eigenen Schatten sehen. Außerdem habe ich noch eine Haushälterin, die eine Todesangst vor allem hat, was größer ist als sie selbst, und der ich den Hof machen will. Das ist ja wohl genug.«
Marcus, dem die Kinnlade heruntergefallen war, klappte den Mund vernehmlich wieder zu. »Sie wollen ihr … den Hof machen? Ihr vielleicht sogar einen Heiratsantrag machen?« Er riss die Augen auf, brach dann aber in lautes Lachen aus.
»Was ist daran so witzig?«
»Robert MacBain, der begehrteste Junggeselle von ganz Maine.« Marcus machte eine ausholende Geste mit der Hand. »Der Mann, der den Gerüchten nach auch fest entschlossen ist, es dabei zu belassen, hat sich mit einem Mal verliebt?«
»Genau!«
Endlich wurde Marcus wieder ernst und schüttelte den Kopf. »Diese Frau wird sicher nicht noch einmal heiraten.«
»Oh doch, das wird sie ganz bestimmt. Sie wird mich heiraten, und sie wird darüber überglücklich sein!«
Auf diese arrogante Feststellung hin füllten sie noch einmal ihre Gläser und stießen – der eine fest entschlossen, der andere voll Bewunderung für eine derartige Chuzpe – miteinander an.
14
C atherine hatte Cody in sein Bett verfrachtet, ihm einen Eisbeutel auf das Gesicht gelegt, ein Glas mit Ginger Ale für seinen flauen Magen in die Hand gedrückt und ihm versprochen, einen Teller Eintopf aufzuheben, den er essen könnte, wenn es ihm ein wenig besser ging. Dann hatte sie sich zu den anderen an den Küchentisch gesetzt, wobei das Essen eine ungewöhnlich ruhige Angelegenheit gewesen war. Robbie und Marcus waren gar nicht erst erschienen, Gunter hatte ihr erklärt, dass er einen Spaziergang machen würde, damit er wieder einen klaren Kopf bekam, und weder ihre beiden Kinder noch Peter oder Rick hatten während des Essens auch nur einen Ton gesagt.
Da die beiden Jungen, ohne dass sie darum bitten musste, freiwillig den Abwasch übernommen hatten, hatte sie sich mit ihren Kindern in die Scheune zurückgezogen, dort saßen die beiden unglücklich auf einem Ballen Heu und sahen sie aus großen, unsicheren Augen an.
»Was vorhin passiert ist, war ein fürchterliches Missverständnis, weiter nichts«, setzte Catherine, die den beiden gegenübersaß, mit ruhiger Stimme an. »Nora, falls dir noch mal irgendetwas Angst macht, kommst du direkt zu mir. Gunter hat voreilige Schlüsse aus deiner Angst gezogen und einfach nicht nachgedacht.« Sie beugte sich ein wenig vor und berührte ihre Kinder an den
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