Der Traum des Highlanders
erklärte er. »Ich habe nämlich keine Zeit zum Trödeln.«
Robbie blickte auf seine schockierte Hauswirtschafterin, zuckte mit den Schultern und folgte seinem Onkel, der zu seiner Überraschung bereits über den halben Hof gelaufen war.
Robbie musste joggen, um ihn einzuholen, dann aber legte er die Hände auf den Rücken und lief gemütlich neben seinem Onkel her. »Hast du das die ganze Woche über gemacht? Alle Leute besucht und Lebewohl gesagt?«
Ian sah ihn an, lenkte seinen Blick dann aber wieder auf den Weg. »Ich habe nicht erwartet, dass es mir so schwerfällt«, murmelte er. »Wie zum Teufel soll ich mich verabschieden, wenn niemand weiß, dass es ein endgültiger Abschied ist?«
»Das ist unmöglich, Onkel.« Robbie machte halt und drehte Ian zu sich um. »Du kannst es dir immer noch überlegen.«
»Nein«, knurrte Ian und straffte seine Schultern. »Ich will zu meiner Gwyneth zurück.«
Robbie setzte sich wieder in Bewegung. »Dann bringe ich dich hin. Ich hole dich morgen Nachmittag um drei zu Hause ab. Auf die Art haben wir jede Menge Zeit, um bis zum Sonnenuntergang auf dem Gipfel zu sein.«
»Was kann ich alles mitnehmen?«
»Hast du noch dein altes Plaid?«
»Ja. Und meinen Dolch.« Er runzelte die Stirn. »Mein Schwert haben wir verkauft, um unser neues Leben hier zu finanzieren.« Dann aber stieß er ein leises Schnauben aus. »Schließlich hätte ich auch nicht mehr genügend Kraft, um es zu heben.«
»Dann ist das alles, was du mitnehmen kannst. Nichts Modernes.« Robbie hielt ihn noch einmal an und klopfte in der Höhe auf seinen dicken Mantel, in der er in der Brusttasche von seinem Hemd seine Lesebrille bei sich trug. »Ich fürchte, dass du nicht mal deine Brille mit ins alte Schottland nehmen kannst. Und du musst mir versprechen, dass du nichts, was du in der Gegenwart gelernt hast, nutzen wirst, um etwas in der Vergangenheit zu ändern.«
Ian winkte gelassen ab und wandte sich wieder zum Gehen. »Es gibt dort sowieso keine Bücher, die ich lesen könnte. Und auch keine Einkaufszentren, keine Autos und keine Millionen von verrückten Menschen.«
»Ebenso wenig wie fließendes Wasser«, erinnerte Robbie ihn. »Heiße Duschen, Zentralheizung und elektrisches Licht.«
»Aber meine Gwyneth«, wisperte der alte Mann und sah Robbie aus leuchtenden Augen an. »Und Niall, Caitlin und Megan. Das ist alles, was ich brauche, um glücklich zu sein. Was für eine Geschichte tischen wir ihnen auf?«
»Dass du und die anderen von marodierenden … ah … Wikingern gefangen genommen und zehn Jahre festgehalten worden seid. Dass die anderen im Kampf oder bei dem Versuch zu fliehen umgekommen sind. Aber dass die Kerle, als du alt geworden bist, einfach mit dir nach Schottland zurückgesegelt sind und dich haben laufen lassen, weil du ihnen nicht mehr nützlich warst.«
Ian lachte leise auf. »Als ob uns das irgendjemand glauben würde.«
»Wer wollte dir wohl widersprechen? Schließlich wurde Schottland im Verlauf seiner Geschichte immer wieder überfallen.«
Ian blieb stehen und sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. »Und was ist mit meinem Alter? Ich bin nicht nur zehn, sondern fünfunddreißig Jahre älter als zu dem Zeitpunkt, an dem ich verschwunden bin.«
»Du hast die Gesundheit eines sechzigjährigen Mannes der damaligen Zeit. Das Leben damals war so hart, dass kaum ein Mann so alt geworden ist, wie du inzwischen bist. Sie kaufen uns unsere Geschichte sicher ab.«
»Was ist, wenn ich plötzlich englisch spreche?«, wollte Ian wissen, während er langsam weiterging. »Bestimmt spreche ich irgendwann mal englisch, ohne es zu merken.«
»Dann sollten wir vielleicht behaupten, dass du von englischen Marodeuren gekidnappt worden bist und nicht von Wikingern.«
»Ja. Das wäre besser«, stimmte Ian zu. »Ich kann behaupten, dass ich den ganzen Weg von England zu Fuß gelaufen bin.« Er blähte seine Brust auf. »Ja. Damit kriege ich sicher jede Menge guter Geschichten fürs Lagerfeuer hin.« Dann hielt er Robbie nochmals auf. »Aber du wirst doch eine Weile bei mir bleiben, oder? Bis ich mich wieder eingewöhnt habe?«
»Ich werde so lange bleiben, bis du wieder ganz zuhause bist.«
»Und was ist mit Daars Zauberbuch, nach dem du suchst?«
»Das habe ich noch nicht gefunden. Vielleicht kannst du mir ja dabei helfen. Das werden wir sehen, wenn wir erst dort angekommen sind.«
Ian straffte seine Schultern und sah Robbie aus blitzenden Augen an. »Ich werde dir auf alle Fälle
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