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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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ebenfalls auf der Liste der Festzunehmenden stehe, halte sich vorgeblich versteckt, doch Stirs versicherte Roger, dieses Versteck sei eine Farce, denn man sehe Aranas Schwager und dessen Frau Petronila in Restaurants und auf Festen, ohne dass irgendjemand sie behellige.
    Rückblickend kamen Roger diese acht Wochen in Iquitos wie ein langsames Ertrinken vor, ein allmähliches Versinken in einem Pfuhl aus Intrigen, falschen Gerüchten, offenkundigen oder verschlagenen Lügen, in einer Welt, in der niemand die Wahrheit sagte, weil man sich damit nur Feindschaften und Probleme einhandelte oder sich schlicht in einem System bewegte, in dem mittlerweile kaum noch zwischen wahr und falsch, zwischen Wirklichkeit und Täuschung unterschieden werden konnte. Er kannte aus seinen Jahren im Kongo dieses entsetzliche Gefühl, in Treibsand geraten zu sein, sich auf derart unsicherem Terrain zu bewegen, dass alle Anstrengungen nur dazu führten, immer schlimmer in Bedrängnis zu geraten. Er musste so schnell wie möglich weg von hier!
    Am nächsten Tag suchte er den Präfekten von Iquitos auf. Der frisch ernannte Adolfo Gamarro – Spitzbauch, gewichster Schnurrbart, qualmende Zigarre und vor Nervosität feuchte Hände – empfing ihn in seinem Arbeitszimmer und begrüßte ihn mit überschwänglichen Glückwünschen:
    »Ihnen haben wir es zu verdanken«, sagte er, breitete demonstrativ die Arme aus und klopfte Roger auf die Schulter, »dass diese entsetzlichen sozialen Ungerechtigkeiten im Herzen des Amazonasgebietes aufgedeckt wurden. Die Regierung und das peruanische Volk sind Ihnen zutiefst verpflichtet, Señor Casement.«
    Worauf er sogleich anfügte, der Bericht, den Richter Valcárcel im Auftrag der peruanischen Regierung angefertigt habe, um den Anträgen der britischen Behörden nachzukommen, sei »fantastisch« und »verheerend« gewesen. Er umfasse beinahe dreitausend Seiten und bestätige alle Anschuldigungen, die Großbritannien Präsident Leguía übermittelt habe.
    Doch als Roger ihn fragte, ob er eine Abschrift des Berichts haben könne, entgegnete ihm der Präfekt, es handele sich um ein offizielles Dokument und es überschreite seine Kompetenzen, einem Ausländer Einblick zu gewähren. Der Herr Konsul müsse durch sein Außenministerium ein diesbezügliches Gesuch an die Regierung in Lima stellen, worauf ihm sicherlich die Erlaubnis erteilt würde. Als Roger sich daraufhin erkundigte, wie er eine Unterredung mit Richter Valcárcel erreichen könne, erwiderte der Präfekt hastig:
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo Dr. Valcárcel sich aufhält. Seine Mission ist beendet, und ich meine gehört zu haben, dass er das Land verlassen hat.«
    Roger verließ die Präfektur zutiefst verwirrt. Was ging hier eigentlich vor? Dieser Mensch hatte ihm nichts als Lügen aufgetischt. Am selben Nachmittag begab Roger sich in die Redaktion der Zeitung El Oriente , um mit Rómulo Paredes, dem Herausgeber, zu sprechen. Paredes, ein hemdsärmeliger Mittfünfziger mit grauen Haaren, hatte Schweißperlen auf der Stirn und war offensichtlich in Panik. Kaum richtete Roger das Wort an ihn, machte Paredes eine energische Geste, die wohl besagen sollte: ›Vorsicht, hier haben die Wände Ohren.‹ Er nahm Roger am Arm und führte ihn in eine kleine Bar namens La Chipirona, wo sie sich ein wenig abseits an einen Tisch setzten.
    »Verzeihen Sie mir, Herr Konsul«, sagte er und sah sich dabei unentwegt um. »Ich kann und darf Ihnen nichts Konkretes sagen. Ich befinde mich in einer äußerst schwierigen Lage. Mit Ihnen gesehen zu werden ist sehr riskant für mich.«
    Er war blass, seine Stimme zitterte und er hatte angefangen, an einem Fingernagel zu kauen. Den Schnaps, den er sich bestellthatte, trank er in einem Zug aus. Schweigend hörte er zu, als Roger das Gespräch mit dem Präfekten zusammenfasste.
    »Das ist ein Operettenkönig«, sagte Paredes schließlich, von dem Schnaps animiert. »Gamarra hat einen Bericht von mir vorliegen, in dem alle Anschuldigungen von Richter Valcárcel bestätigt werden. Im Juli hat er ihn bekommen. Seitdem sind drei Monate vergangen, und er hat ihn noch immer nicht nach Lima geschickt. Warum glauben Sie wohl, hält er ihn so lange zurück? Weil alle Welt weiß, dass Präfekt Gamarra, wie halb Iquitos, auf Aranas Gehaltsliste steht.«
    Was Richter Valcárcel betreffe, der habe das Land verlassen. Er wisse nicht, wo er sich aufhalte, doch wäre er in Iquitos geblieben, wäre er inzwischen ganz bestimmt ein

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