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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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Überrascht wurde ersich bewusst, dass die Geschäftigkeit der letzten Monate seine Arthritisbeschwerden überspielt hatte, die Schmerzen waren erträglicher geworden. Im Zug von Montreal nach New York bereitete er den Lagebericht vor, den er John Devoy und den anderen Führungsmitgliedern von Clan na Gael erstatten wollte. Vor allem musste er sie darauf hinweisen, dass die Volunteers akut finanzielle Unterstützung für Waffenkäufe benötigten, da die derzeitige politische Entwicklung jederzeit zu einer gewaltsamen Eskalation führen konnte. Überdies würde er argumentieren, dass der Krieg eine außergewöhnliche Chance für die irischen Unabhängigkeitskämpfer darstellen könnte.
    Roger traf am 18. Juli in New York ein. Er stieg im Belmont ab, einem bescheidenen Hotel mit vielen irischen Gästen. Am selben Tag machte er in Manhattan auf der Straße die Bekanntschaft von Eivind Adler Christensen. Reiner Zufall, wie er damals glaubte. Dass dieses Treffen vom britischen Geheimdienst, der ihn seit Monaten auf Schritt und Tritt überwachen ließ, hätte inszeniert sein können, kam ihm nicht in den Sinn. Er war fest davon überzeugt, ausreichende Vorsichtsmaßnahmen getroffen und Glasgow unbemerkt verlassen zu haben. Und er konnte auch nicht ahnen, wie sehr dieser vierundzwanzigjährige Norweger, der in Wahrheit nichts von dem halb verhungerten Herumtreiber hatte, als den er sich ausgab, sein Leben durcheinanderbringen würde. Ungeachtet seiner zerschlissenen Kleidung war Christensen der bestaussehende Mann, dem Roger je begegnet war. Während der Norweger sich auf Rogers Einladung hin mit Bier und Sandwich stärkte, spürte Roger beschämt, wie sein Herz schneller schlug. Er, der sonst so bedächtig war in seinen Gesten, so steif auf Umgangsformen bedacht, hätte im Lauf dieses Nachmittags und Abends mehrere Male beinahe vergessen, was sich gehört, so stark war sein Impuls, Eivinds muskulöse, blond behaarten Arme oder seine schmale Hüfte zu berühren.
    Als er erfuhr, dass der junge Mann ohne Unterkunft war, schlug er ihm vor, mit in sein Hotel zu kommen, wo er fürihn ein Zimmer auf demselben Flur nahm. Trotz seiner Müdigkeit tat Roger in dieser Nacht kein Auge zu. Sehnsüchtig stellte er sich seinen neuen jungen Freund schlafend vor, den athletischen Körper, die zerzausten blonden Haare, das fein gezeichnete Gesicht, die womöglich leicht geöffneten Lippen. Die Begegnung mit Eivind Adler Christensen hatte Roger so aus der Bahn geworfen, dass er am folgenden Tag, während der ersten Unterredung mit John Devoy in einem kleinen stickigen Raum, immer wieder an das Gesicht und die Gestalt des Norwegers denken musste.
    Dennoch machte der alte, erfahrene Revolutionär Devoy, dessen Leben einem Abenteuerroman glich, großen Eindruck auf Roger. Er war für seine zweiundsiebzig Jahre überaus rüstig, eine ansteckende Energie ging von ihm aus. Mit einem Bleistift, den er von Zeit zu Zeit mit der Zunge befeuchtete, notierte er schweigend, was Roger ihm vortrug. Erst, als Roger geendet hatte, stellte er etliche Fragen, um weitere Einzelheiten zu erfahren. Dabei war Roger erstaunt, wie detailliert John Devoy über die Ereignisse in Irland informiert war, sogar über Angelegenheiten, die eigentlich größter Geheimhaltung unterliegen sollten.
    Ein besonders umgänglicher Mensch war der überzeugungsstarke Devoy nicht. Gefängnis, Untergrund und jahrelanger Kampf hatten ihn verhärtet, trotzdem wirkte er vertrauenswürdig, aufrichtig und ehrlich. Im Laufe ihrer Gespräche wurde deutlich, dass Roger und er in ihrer Einschätzung der Lage absolut übereinstimmten. Auch Devoy war der Ansicht, dass es für die Autonomie zu spät sei, dass die irischen Patrioten sich ganz auf die Unabhängigkeit konzentrieren sollten. Und dass bewaffnete Aktionen die politischen Verhandlungen ergänzen müssten. Weil die englische Regierung sich zu wirklichen Verhandlungen nur bereit zeigen würde, wenn militärische Operationen eine so schwerwiegende Situation herbeigeführt hätten, dass die Unabhängigkeit Irlands für London das kleinere Übel darstellen würde. Auch Devoy schien im Hinblick auf den unmittelbar bevorstehendenKrieg eine Annäherung der Nationalisten an Deutschland unausweichlich: Die logistische und politische Unterstützung durch das Kaiserreich würde die irischen Aussichten wesentlich verbessern. Devoy ließ Roger allerdings wissen, dass unter den amerikanischen Iren in diesem Punkt keine Einstimmigkeit herrsche. John

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