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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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London entsandt. Alice Stopford Green stand dort einem Komitee vor, das heimlich Spenden sammelte und in England und mehreren anderen europäischen Ländern Gewehre, Revolver, Granaten, Maschinengewehre und Munition kaufte und nach Irland schmuggelte. Bei diesen Londoner Treffen mit Alice und ihren Freunden erkannte Roger, dass der Krieg in Europa nicht mehr nur eine ferne Möglichkeit darstellte, sondern bedrohlich nahe rückte: Alle Politiker und Intellektuellen, die sich im Haus der Historikerin in der Grosvenor Road einfanden, waren der Meinung, dass Deutschland seine Entscheidung längst gefällt habe und die Frage nicht mehr sei, ob es zu einem Krieg kommen, sondern nur noch, wann er ausbrechen würde.
    Unterdessen war Roger an die Nordküste von Dublin nach Malahide gezogen, doch wegen seiner politischen Umtriebe war er nur selten zu Hause. Kurz nach seinem Umzug warnten ihn die Volunteers , die Royal Irish Constabulary , die königlich irische Schutzpolizei, habe eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet und er werde von der Geheimpolizei beschattet. Ein Grund mehr für seine Reise in die Vereinigten Staaten; er würde dort der nationalistischen Bewegung nützlicher sein als in Irland, wo man ihm womöglich hinter Gitter bringen würde. John Devoy vermeldete überdies, die Anführer von Clan na Gael würden seinen Besuch sehr befürworten, man sei der Meinung, seine Anwesenheit werde die Spendenbereitschaft erhöhen.
    Roger willigte ein, die Mission in Angriff zu nehmen, zögerte seine Abreise allerdings wegen eines Projektes hinaus, das ihm sehr am Herzen lag: Am 23. April 1914 sollte die 900-Jahr-Feier der Schlacht von Clontarf begangen werden, in der die Iren unter ihrem König Brian Boru die Wikinger besiegt hatten. MacNeill und Pearse zeigten Verständnis, doch die übrigen Führungsmitglieder der Volunteers hielten diesen Aufschub für Zeitvergeudung. Warum Energie auf die Vergangenheit verschwenden, wenn doch die Gegenwart um so vieles wichtiger war? Nein, es war kein Moment für Ablenkungen. Das Vorhaben wurde nicht verwirklicht, ebenso wenig wie Rogers Vorschlag, eine Unterschriftenkampagne zugunsten einer eigenständigen irischen Teilnahme an den Olympischen Spielen zu initiieren.
    Noch kurz vor der Reise trat Roger als Redner bei Versammlungen in Cork, Galway und Kilkenny auf, zumeist neben MacNeill, Pearse und zuweilen MacDonagh. Am St. Patrick’s Day stieg er in Limerick bei der größten Veranstaltung, der er je beigewohnt hatte, derweil die Tribüne. Die allgemeine Situation wurde derweil von Tag zu Tag heikler. Die Unionisten von Ulster marschierten schwerbewaffnet auf, und ihre militärischen Manöver hielten sie so unverhohlen ab, dass die britische Regierung sich schließlich zu einer Gestegenötigt sah und die eigene Militärpräsenz in Nordirland verstärkte. Im Zuge dessen kam es zu einer Meuterei auf dem britischen Armeeschiff Curragh, einer Episode, die Rogers politische Haltung entscheidend beeinflussen sollte. Die britischen Truppen und Seestreitkräfte waren bereits mobilisiert, da meldete Hauptkommandant General Sir Arthur Paget an die englische Regierung, dass ein Großteil der britischen Offiziere auf der Curragh ihn habe wissen lassen, sie würden im Falle eines Befehls, die Ulster Volunteers von Edward Carson anzugreifen, ihr Austrittsgesuch aus der Armee einreichen. Die englische Regierung gab nach, keiner der beteiligten Offiziere wurde bestraft.
    Diese Begebenheit bestärkte Roger in seiner Überzeugung, dass die Home Rule -Regelung trotz aller Versprechungen niemals umgesetzt werden würde, weil keine englische Regierung, egal ob konservativ oder liberal, sie akzeptieren würde. Alle Iren, die wie John Redmond an die Autonomie glaubten, würden ein ums andere Mal enttäuscht werden. Eine Lösung für Irland konnte einzig die Unabhängigkeit sein, schlicht und einfach, doch die würde man ihnen nie im Guten gewähren. Pearse und Plunkett hatten recht, sie musste mittels politischer und militärischer Aktionen erzwungen werden, wozu große Opfer und heldenhafter Einsatz nötig waren. So hatten schließlich alle vormals unfreien Völker der Welt ihre Eigenständigkeit errungen.
    Im April 1914 kam der deutsche Journalist Oskar Schweriner nach Irland. Er wollte eine Reportage über die arme Bevölkerung von Connemara schreiben. Da er von Rogers Einsatz für die von der Typhus-Epidemie betroffenen Dörfer gehört hatte, suchte er ihn auf. Gemeinsam reisten sie in die Region,

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