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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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Berlin vorgesehen war, ihm als Dolmetscher sowohl in der norwegischen Hauptstadt als auch in Berlin von großem Nutzen sein würde, denn Eivind war auch des Deutschen mächtig. Um ein größeres Budget bat Roger deshalb nicht. Die dreitausend Dollar, die ihm der Clan na Gael für die Reise und den Aufenthalt in Berlin zur Verfügung stellte, würden für sie beide ausreichen.
    Die New Yorker Iren stimmten glücklicherweise kommentarlos allem zu, denn Roger hätte nicht ohne Eivind wegfahren wollen. Mit ihm erlebte er einen zweiten Frühling, empfand er – und das Wort ließ ihn erröten – Liebe. So etwas hatte er bisher nicht gekannt. In seinem Leben hatte es immer nur sporadische Zufallsbekanntschaften gegeben, deren Namen er gleich wieder vergaß, oder die Wunschbilder, die seine Fantasie, Sehnsucht und das Alleinsein ihm in sein Tagebuch diktierten. Doch im Falle des »schönen Wikingers«, wie er ihn insgeheim nannte, hatte er während dieser Wochen und Monate das Gefühl, endlich eine dauerhafte emotionale Bindungüber das Körperliche hinaus einzugehen, die der Einsamkeit ein Ende bereiten könnte, zu der ihn seine sexuelle Neigung bislang verurteilt hatte. Mit Eivind sprach er über solche Dinge nicht. Roger war nicht naiv, und häufig sagte er sich, dass der Norweger aller Wahrscheinlichkeit nach – oder vielmehr ganz sicher – aus bloßem Kalkül bei ihm blieb, weil er so zwei warme Mahlzeiten am Tag bekam, ein Dach über dem Kopf hatte, anständig eingekleidet wurde und überhaupt abgesichert war, wie er selber sagte. Trotzdem verlor Roger im Umgang mit dem jungen Mann bald jegliche Vorsicht. Eivind war liebevoll und fürsorglich und erfüllte Roger jeden Wunsch. Noch in den intimsten Momenten verhielt er sich taktvoll, nie zeigte er sich vulgär oder missbrauchte Rogers Vertrauen.
    Sie besorgten sich Fahrkarten zweiter Klasse für die Oskar II , die Mitte Oktober von New York nach Christiania in See stechen sollte. Roger, dessen Pass auf den Namen James Landy ausgestellt war, veränderte sein Aussehen, indem er sich die Haare raspelkurz schneiden ließ und seine gebräunte Haut mit Creme bleichte. Auf hoher See wurde das Schiff von der britischen Marine abgefangen und nach Stornoway auf den Hebriden eskortiert, wo die Engländer es einer eingehenden Durchsuchung unterzogen. Doch Rogers wahre Identität wurde nicht aufgedeckt. Unversehrt trafen Eivind und er am Abend des 28. Oktober in Christiania ein. Nie hatte Roger sich besser gefühlt. Hätte man ihn gefragt, so hätte er geantwortet, er sei ein glücklicher Mensch.
    Und doch begann mit ebendiesen Tagen, in denen das Glück ihm so hold schien, die bitterste Phase überhaupt, die Niederlage, die, wie er später denken sollte, sein gesamtes Leben überschatten würde. An ihrem Ankunftstag in der norwegischen Hauptstadt gab Eivind vor, von Unbekannten entführt und ins britische Konsulat gebracht worden zu sein, wo man ihn über seinen geheimnisvollen Begleiter ausgefragt habe. Einfältig hatte Roger ihm geglaubt. Und gedacht, dies verschaffe ihm eine günstige Gelegenheit, öffentlich diehinterhältigen Methoden der britischen Außenpolitik anzuprangern. Wie bedrückend, später herausfinden zu müssen, dass Eivind sich tatsächlich regelrecht angeboten hatte, ihn zu verkaufen. Wochen und Monate hatte Roger wegen dieses vermeintlichen Komplotts darauf vergeudet, wie besessen nutzlose Schreiben und Proteste zu verfassen, die der irischen Sache letztlich nichts gebracht und im Foreign Office und im britischen Geheimdienst zweifellos große Belustigung hervorgerufen hatten, wo man ihn als ziemlich stümperhaften Verschwörer betrachten musste.
    Wann setzte seine Enttäuschung über Deutschland ein, dem er solche Bewunderung entgegengebracht hatte und in dem er ein Musterbeispiel an Kultur und Fortschritt hatte sehen wollen? Während seiner ersten Wochen in Berlin jedenfalls noch nicht. Auf der turbulenten Reise von Christiania in die deutsche Hauptstadt, in Begleitung von Richard Meyer, seinem Kontaktmann im Auswärtigen Amt, war er noch voller Hoffnung und überzeugt, dass Deutschland den Krieg gewinnen und dieser Sieg entscheidend für Irlands Unabhängigkeit sein würde. Seine ersten Eindrücke in dem herbstlich kalten, nebligen und verregneten Berlin waren ermutigend. Sowohl Unterstaatssekretär Arthur Zimmermann als auch Graf Georg von Wedel, Leiter der englischen Abteilung des Auswärtigen Amts, empfingen Roger freundlich und zeigten sich

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