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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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Ressentiment des dekadenten Englands gegenüber einer aufstrebenden Macht wie Deutschland. Deutschland repräsentiere die Zukunft, weil es wenige koloniale Altlasten mit sich herumschleppe, während das imperiale England zum Untergang verdammt sei.
    Im August, September und Oktober 1914 arbeitete Roger wie zu seinen besten Zeiten Tag und Nacht, schrieb Artikel und Briefe, hielt Reden und Vorträge, in denen er England emphatisch beschuldigte, dieses europäische Debakel herbeigeführt zu haben, und beschwor die Iren, John Redmonds Sirenengesang, mit dem er sie dazu bringen wollte, der Armee beizutreten, kein Gehör zu schenken. Die liberale englische Regierung brachte die Autonomie-Regelung im Parlament durch, verschob ihr Inkrafttreten jedoch bis auf die Zeit nach dem Krieg. Eine Spaltung der Volunteers war unvermeidlich. Die Organisation war ungemein gewachsen, und Redmond und seine Irish Parliamentary Party waren darin deutlich in der Mehrheit. Sie konnten mit Sympathien von über hundertfünfzigtausend Volunteers rechnen, während Eoin MacNeill und Patrick Pearse gerade elftausend Mitstreiter hinter sich hatten. Doch das konnte Rogers Deutschlandbegeisterung nicht mindern, auf allen Versammlungen in den Vereinigten Staaten stellte er das Kaiserdeutschland weiter als Opfer in diesem Krieg und den würdigsten Verfechter der zivilisiertenWelt dar. »Aus deinem Mund spricht nicht Liebe zu Deutschland, sondern Hass gegen England«, warf John Quinn ihm während ihres Streitgespräches vor.
    Im September 1914 erschien in Philadelphia der Band Ireland, Germany and the Freedom of the Seas: A Possible Outcome of the War of 1914 , der Rogers deutschlandfreundliche Essays und Artikel versammelte. Noch im selben Jahr war das Buch in Berlin unter dem Titel The Crime Against Ireland, and How the War May Right It erhältlich.
    Rogers Einsatz für das Kaiserreich beeindruckte die deutschen Diplomaten in den Vereinigten Staaten. Der deutsche Botschafter in Washington, Johann Heinrich Graf von Bernstorff, reiste zu einem privaten Treffen mit Roger und dem Führungstrio von Clan na Gael , Devoy, McGarrity und Keating nach New York. Franz von Papen war ebenfalls anwesend. In Absprache mit seinen Kampfgefährten war es Roger, der dem deutschen Diplomaten die Forderung der Nationalisten unterbreitete: fünfzigtausend Gewehre mitsamt Munition. Mit Hilfe der Volunteers könnten die Waffen in verschiedenen irischen Häfen heimlich an Land gebracht werden. Die Waffen würden einem antikolonialistischen militärischen Aufstand dienen, der einen bedeutenden Teil des englischen Heers binden würde, was von den Marine- und Streitkräften des Kaisers ausgenutzt werden könnte, um eine Offensive gegen die Garnisonen entlang der englischen Küste zu starten. Um in Irland eine deutschlandfreundliche Stimmung zu fördern, müsste die deutsche Regierung des Weiteren eine Garantieerklärung abgeben, dass sie im Fall eines Sieges die irischen Unabhängigkeitsbestrebungen unterstützen würde. Außerdem müsste sie sich verpflichten, den irischen Soldaten, die in deutsche Gefangenschaft geraten sollten, eine besondere Behandlung zuteilwerden zu lassen, sie von den englischen Soldaten zu trennen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich der Irischen Brigade anzuschließen, die »mit, aber nicht als Teil« des deutschen Heeres gegen den gemeinsamen Feind kämpfen sollte. Roger Casement würde diese Brigade ins Leben rufen.
    Graf von Bernstorff, von stattlicher Erscheinung, Monokel im Auge, die Brust bedeckt mit Orden, hörte ihm aufmerksam zu. Hauptmann von Papen machte sich Notizen. Der Botschafter musste natürlich Rücksprache mit Berlin halten, doch er schickte voraus, der Vorschlag erscheine ihm vernünftig. Und tatsächlich teilte er ihnen wenige Tage später bei einem zweiten Treffen mit, die deutsche Regierung sei bereit, die Angelegenheit in Berlin zu bereden, und zwar mit Roger Casement als Repräsentanten der irischen Nationalisten. Er überreichte ihnen ein Schreiben an die deutschen Behörden, das die Bitte enthielt, Sir Roger während seines Aufenthalts in Deutschland in jeder Hinsicht zu unterstützen.
    Roger begann unverzüglich, seine Abfahrt vorzubereiten. Die Ankündigung, er werde in Begleitung seines Assistenten Eivind Adler Christensen nach Deutschland aufbrechen, erstaunte Devoy, McGarrity und Keating. Doch Roger rechtfertigte es damit, dass der Norweger, da aus Sicherheitsgründen eine Route von New York über Christiania nach

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