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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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Neugeborenes im Arm, das so stillhielt, als sei es tot.
    »Nach welchen Kriterien werden sie freigelassen?«, fragte der Konsul.
    »Das entscheide nicht ich, sondern ein Magistrat, Herr Konsul. Es gibt drei in Coquilhatville. Und einziges Kriterium ist, dass die Männer die ausstehenden Quoten abliefern, dann können sie ihre Frauen mitnehmen.«
    »Und wenn sie das nicht tun?«
    Der Hauptmann zuckte mit den Schultern.
    »Manchen gelingt es, zu entkommen«, sagte er mit gesenkter Stimme und abgewandtem Blick. »Andere nehmen die Soldaten sich als Frauen. Das sind die, die am meisten Glück haben. Ein paar werden verrückt und bringen sich um. Manche sterben an Kummer, Cholera oder Hunger. Wie Sie sehen konnten, haben sie kaum zu essen. Auch das ist nicht unsere Schuld. Wir erhalten nicht einmal genug Lebensmittel für unsere Soldaten, von den Gefangenen ganz zu schweigen. Manchmalführen wir kleine Kollekten unter den Offizieren durch, um die Verpflegung aufzubessern. So ist das hier. Ich bedauere es als Allererster. Sollte es Ihnen gelingen, eine Verbesserung zu bewirken, wird die Force Publique es Ihnen danken.«
    Roger begab sich nach Coquilhatville, um die drei belgischen Magistrate aufzusuchen, wurde jedoch nur von einem empfangen, die anderen beiden ließen sich unter einem Vorwand entschuldigen. Maître Duval, ein rundlicher blasierter Mann um die fünfzig, der ungeachtet der tropischen Hitze Weste, Manschetten und Gehrock mit Uhrkette trug, führte ihn in seine schmucklose Amtsstube und bot ihm eine Tasse Tee an. Höflich hörte er Roger zu, während der Schweiß ihm in Strömen herabfloss. Von Zeit zu Zeit wischte er sich mit einem bereits feuchten Taschentuch das Gesicht ab. Zwischendurch schüttelte er den Kopf oder machte eine bedauernde Miene über etwas, das Roger gesagt hatte. Als Roger geendet hatte, bat Duval ihn, dies alles schriftlich festzuhalten. So könne er bei dem Gericht, dem er angehöre, eine Klage einreichen, damit eine offizielle Untersuchung über diese bedauernswerte Episode eingeleitet würde. Allerdings sei es womöglich ratsamer, korrigierte sich Maître Duval und hielt sich einen Finger nachdenklich ans Kinn, diesen Bericht direkt dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, der inzwischen in Léopoldville eingerichtet sei. Da es sich um eine höhere und einflussreichere Instanz handele, könne sie durchschlagendere Maßnahmen in der ganzen Kolonie veranlassen. Nicht nur, um die Sachlage zu verbessern, sondern auch, um für die Familien der Opfer und für die Opfer selbst Entschädigungen zu erwirken. Roger sagte, das werde er tun. Er verabschiedete sich, davon überzeugt, dass Maître Duval keinen Finger rühren würde, genauso wenig wie der Oberste Gerichtshof in Léopoldville. Trotzdem würde er das Schriftstück einreichen.
    Gegen Abend, er stand kurz vor der Abreise, überbrachte ein Afrikaner ihm die Botschaft, die Mönche der Trappistenmission würden ihn gern noch einmal sehen. In der Mission traf er erneut auf Pater Hutot. Die sechs Mönche wollten ihnbitten, auf seinem Schiff heimlich eine Handvoll Flüchtlinge mitzunehmen, die sie seit Tagen im Kloster versteckt hielten. Sie kämen alle aus dem Dorf Bonginda, das flussaufwärts am Kongo liege und in dem die Force Publique, weil sie ihre Quoten nicht hätten einhalten können, eine ebenso harsche Strafoperation durchgeführt habe wie in Walla.
    Das Trappistenkloster von Coquilhatville war ein großes zweistöckiges, mit Steinen und Holz befestigtes Lehmhaus, das von außen wie eine Festung aussah. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt. Der portugiesische Abt Dom Jesualdo und zwei der Mönche waren sehr betagt, ihre ausgemergelten Körper wirkten in den weißen Tuniken mit den schwarzen Kreuzen und groben Ledergürteln etwas verloren. Nur die älteren der Gruppe hatten Gelübde abgelegt, die übrigen waren Laienbrüder. Als handle es sich um ein Erkennungsmerkmal der hiesigen Trappisten, waren alle so klapperdürr wie Pater Hutot. Innen erwies sich das Gebäude als hell, denn nur Kapelle, Speisesaal und Schlafkammern der Mönche waren überdacht. In der äußeren Umfriedung gab es einen Gemüsegarten, ein Geflügelgehege, einen Friedhof und eine offene Küche mit einer großen Kochstelle.
    »Welcher Vergehen haben sich diese Leute schuldig gemacht, die ich ohne Wissen der Behörden von hier fortbringen soll?«
    »Arm zu sein, Herr Konsul«, antwortete Dom Jesualdo bekümmert. »Das wissen Sie nur zu gut. Sie haben gerade in Walla

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