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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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entrüstet. »Warum auch? Wegen der Verleumdungen zweier Erpresser, die diese infamen Lügen erfanden, weil sie uns kein Geld abknöpfen konnten?«
    »Verstümmelungen, Morde, Auspeitschungen«, zählte Roger auf. »Von Dutzenden, möglicherweise Hunderten Menschen. Diese Anschuldigungen haben die gesamte zivilisierte Welt erschüttert.«
    »Mich würden sie auch erschüttern, wenn sie wahr wären«, sagte Pablo Zumaeta pikiert. »Jetzt erschüttert mich allerdings viel mehr, dass gebildete und intelligente Menschen wie Sie solchen Schwindeleien einfach so Glauben schenken.«
    »Wir werden uns vor Ort einen Überblick verschaffen«,entgegnete Roger. »Und wir werden sehr, sehr gründlich sein, keine Sorge.«
    »Glauben Sie vielleicht, wir würden Eingeborene umbringen und uns damit ins eigene Fleisch schneiden? Wissen Sie etwa nicht, dass das Hauptproblem in den Kautschukstationen der Mangel an Arbeitskräften ist? Jeder Arbeiter zählt. Hätten diese Gemetzel tatsächlich stattgefunden, gäbe es in Putumayo keinen einzigen Indio mehr. Sie wären alle abgehauen, oder etwa nicht? Niemand bleibt freiwillig an einem Ort, wo er Gefahr läuft, ausgepeitscht, verstümmelt und getötet zu werden. Diese Anschuldigung ist unbeschreiblich dämlich, Señor Casement. Wenn die Eingeborenen flüchten, ist das unser Ruin und das Ende der Kautschukindustrie. Das wissen unsere Angestellten da draußen auch. Deshalb bemühen sie sich, die Wilden bei Laune zu halten.«
    Er ließ den Blick über die Kommissionsmitglieder schweifen. In seine Empörung mischte sich jetzt Resignation.
    »Es ist nicht leicht, sie gut zu behandeln und zufriedenzustellen«, gestand er ein. »Sie sind unglaublich primitiv. Wissen Sie, was primitiv ist? Manche Stämme sind noch Kannibalen. Das können wir nicht zulassen, nicht wahr? Das ist weder christlich noch menschlich. Also verbieten wir es, und manchmal werden sie deshalb wütend und reagieren wie die Wilden, die sie eben sind. Dürfen wir zulassen, dass sie ihre neugeborenen Kinder ertränken? Nein, denn Kindsmord ist auch nicht christlich. Nun ja. Sie werden sich selbst überzeugen können. Und dann werden Sie begreifen, wie ungerecht die Kritik an Señor Julio C. Arana und seiner Gesellschaft ist, die enorme Opfer bringt, um dieses Land voranzubringen.«
    Roger dachte schon, Pablo Zumaeta würde jeden Moment ein paar Tränen vergießen, doch er täuschte sich. Der Geschäftsführer schenkte ihnen ein freundliches Lächeln.
    »Aber ich habe genug geredet, jetzt sind Sie dran«, entschuldigte er sich. »Fragen Sie mich, was immer Sie wollen, ich werde Ihnen offen antworten. Wir haben nichts zu verbergen.«
    Beinahe eine Stunde lang befragten die Kommissionsmitglieder den Geschäftsführer der Peruvian Amazon Company . Er antwortete ihnen ausschweifend, so dass der Dolmetscher bisweilen den Faden verlor und sich ganze Sätze wiederholen lassen musste. Roger beteiligte sich nicht an der Befragung, er hing seinen eigenen Gedanken nach. Es war offensichtlich, dass Zumaeta niemals die volle Wahrheit sagen, alle Vorwürfe abstreiten und genau die Argumente vorbringen würde, mit denen das Unternehmen Arana in London zu den Vorwürfen Stellung bezogen hatte. Möglicherweise begingen aufbrausende Individuen gelegentlich auch Überschreitungen, aber die Politik der Peruvian Amazon Company sehe weder das Foltern noch das Versklaven und erst recht nicht das Töten von Eingeborenen vor. Das sei gesetzlich verboten und man müsse verrückt sein, um die in Putumayo so knappen Arbeitskräfte zu verschrecken. Roger fühlte sich in den Kongo zurückversetzt. Die gleichen Gräueltaten, die gleiche Wahrheitsverachtung. Der einzige Unterschied bestand darin, dass Zumaeta Spanisch und die belgischen Funktionäre Französisch sprachen. Doch alle weigerten sie sich mit der gleichen Nonchalance, das Offensichtliche einzugestehen, weil sie davon überzeugt waren, Kautschuk zu sammeln und Geld zu verdienen sei ein christliches Ideal, das die schlimmsten Übeltaten gegen diese Heiden rechtfertigte, die natürlich immer Menschenfresser und Mörder ihrer eigenen Kinder waren.
    Nachdem sie das Gebäude der Peruvian Amazon Company verlassen hatten, begleitete Roger seine Gefährten zu dem kleinen Haus, in dem sie untergebracht waren. Von dort aus kehrte er nicht direkt zur Residenz des Konsuls zurück, sondern streifte noch ein wenig durch Iquitos. Er hatte es immer so gehalten, den Tag mit einem Spaziergang zu beginnen und zu

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