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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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Spiel einzugehen, bis er konkrete Beweise für die kriminellen Absichten der britischen Beamten gegen ihn habe. Für wie viele Kronen oder Pfund hatte Eivind dem Konsul das auch noch verraten? Deshalb hatte Rogers Kampagne gegen die britische Regierung – er hatte sie öffentlich beschuldigt, Mordpläne gegen ihre politischen Feinde zu hegen und dabeidie Staatssouveränität von Drittländern zu verletzen – nicht die geringste Wirkung gezeigt. Sein offener Brief an Sir Edward Grey, den er in Kopie an alle in Berlin vertretenen Regierungen geschickt hatte, war der Botschaft nicht einmal eine Eingangsbestätigung wert gewesen.
    Doch das Allerschlimmste – wieder verkrampfte sich Rogers Magen – folgte erst noch, am Ende der langen Verhöre in Scotland Yard, als er glaubte, Eivind würde ihm nie wieder über den Weg laufen. Weltweit war in den Zeitungen über Roger Casement zu lesen, den geadelten britischen Diplomaten, von der Krone mit einem Orden ausgezeichnet, dem wegen Vaterlandsverrats der Prozess gemacht werden sollte. Da sprach im britischen Konsulat in Philadelphia Eivind Adler Christensen vor und ließ durch den Konsul übermitteln, er sei bereit, nach England zu reisen und gegen Casement auszusagen, wenn die englische Regierung für die Unkosten aufkomme und er »ein angemessenes Entgelt erhalte«. Roger zweifelte keine Sekunde an der Authentizität des Berichts des britischen Konsuls in Philadelphia, den Reginald Hall und Basil Thomson ihm vorlegten. Glücklicherweise saß dieser blonde Luzifer während der vier Prozesstage im Gerichtshof von Old Bailey dann doch nicht auf der Zeugenbank. Roger wäre es schwergefallen, seine Wut zu unterdrücken und sich nicht auf ihn zu stürzen.
    Waren dies der Geist, das Antlitz, die hinterhältige Verkörperung der Erbsünde? Während einer ihrer Unterhaltungen fragten Morel und Roger sich, wie kultivierte, zivilisierte Menschen mit christlicher Erziehung die Gräueltaten begehen und decken konnten, die sie im Kongo bloßgelegt hatten, und Roger sagte: »Wenn alle historischen, soziologischen, psychologischen und kulturellen Erklärungen erschöpft sind, sieht man sich immer noch vor einem großen undurchdringlichen Dunkel, in dem sich die Wurzel der menschlichen Bosheit verbirgt, Bulldog . Und das kann man nur begreifen, wenn man den Verstand außer Acht lässt und sich der Religion zuwendet. Es ist die Erbsünde.« »Diese Erklärung erklärt rein garnichts, Tiger .« Sie diskutierten lange darüber, ohne zu einem Schluss zu kommen. Morel sagte: »Wenn der Ursprung der Bosheit die Erbsünde ist, dann gibt es keine Lösung. Wenn die Menschen für das Böse geschaffen sind, wir es in uns tragen, warum gegen etwas ankämpfen, das nicht zu ändern ist?«
    Bulldog hatte recht, man durfte nicht pessimistisch werden. Nicht alle Menschen waren wie Eivind Adler Christensen. Es gab so großherzige Idealisten wie Monteith oder Morel selbst. Roger wurde schwer ums Herz. Bulldog hatte keines der Gnadengesuche zu seinen Gunsten unterzeichnet. Zweifellos verurteilte es sein Freund – oder einstiger Freund, wie Herbert Ward –, dass er Partei für Deutschland ergriffen hatte. Auch wenn Morel gegen den Krieg war und wegen seiner pazifistischen Aktionen schon vor Gericht gekommen war, verzieh er Roger gewiss nicht, sich auf die Seite des Kaisers gestellt zu haben. Wahrscheinlich hielt er ihn für einen Verräter. Und Conrad wohl ebenfalls.
    Roger seufzte. Er hatte etliche bewundernswerte, liebe Freunde verloren. Wer mochte sich inzwischen noch von ihm abgewandt haben? Aber trotz allem hielt er an seiner Meinung fest. Er glaubte weiter daran, dass Irlands Unabhängigkeit in greifbare Nähe rücken würde, wenn Deutschland in diesem Konflikt obsiegen würde. Und in weite Ferne rücken würde, sollte England gewinnen. Er hatte für Irland gekämpft, nicht für Deutschland. Warum konnten das so scharfsinnige, intelligente Menschen wie Ward, Conrad und Morel nicht verstehen?
    Patriotismus schwächt den Scharfsinn. Etwas in der Art hatte Alice bei einer hitzigen Debatte in ihrem Haus in Grosvenor Road einmal gesagt. Wie genau hatte sie es formuliert? »Der Patriotismus darf uns nicht den Scharfsinn, den Verstand und die Intelligenz rauben.« Ungefähr so. Allerdings hatte darauf George Bernard Shaw mit einer Spitze gegen die anwesenden irischen Nationalisten bemerkt: »Das sind unvereinbare Konzepte, Alice. Machen Sie sich nichts vor: Der Patriotismus ist eine Religion, in der

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