Der Traum des Satyrs
zwei Frauen und ein Hermaphrodit angehörten, alle mehr tierische als menschliche Wesen. Neun gegnerische Parteien, die nun hier zusammenkamen, zum ersten Mal, seit König Feydon verschieden war und dieser Welt anstelle eines Nachfolgers nur Unheil und Chaos hinterlassen hatte.
Obwohl der Glastisch, an dem sich alle einfanden, rund war, hatte es einige Mühe gekostet, eine Sitzordnung zu finden, die die erbittertsten Feinde voneinander fernhielt.
Ein Sessel war noch leer: der für Vincent. Julius würde auf einem niedrigen Podium hinter ihm sitzen, zusammen mit anderen Anwesenden im Raum, die nicht unmittelbar an den Gesprächen teilnahmen. Jeder Gesandte hatte einen Vorkoster und ein Gefolge an persönlichen Wachleuten und Dienern mitgebracht. Der Lärm der Stimmen, die sich alle lauthals Aufmerksamkeit zu verschaffen suchten, war überwältigend.
Vincent schritt zu seinem Platz, blieb dort stehen und ließ den Blick durch den Raum wandern.
Während der vergangenen Jahre hatten ähnliche Treffen zwischen kleineren Gruppen von Würdenträgern stattgefunden, bei denen bereits viele Konflikte beigelegt worden waren. Nun blieben nur noch ein paar letzte Streitpunkte übrig.
Während der kommenden Tage würde er seine Argumente vorbringen, Wogen glätten und andere davon überzeugen, zur Einsicht zu kommen. Seiner Einsicht. Diese Kunst, verschiedene Persönlichkeiten und Egos zu einem Konsens zu bringen, war etwas, das er nicht nur hervorragend beherrschte – es war etwas, das er regelrecht genoss.
Die Last wog schwer, und sollte er scheitern, wären die Konsequenzen bitter. Doch er war beschwingt, in seinem Element. In ihm wuchs die Entschlossenheit, diese Verhandlungen zum Erfolg zu bringen, und er hoffte, bis zum Ende des Monats einen unterzeichneten Vertrag zu haben.
Er hob die Hand und gebot – und erhielt – Stille.
»Gesandte, die Verhandlungen sind hiermit offiziell eröffnet!«
Sofort sprang der Anführer der Feroce auf und rammte seine Faust auf den Tisch. »Ich möchte den Antrag stellen, dass das Tor zwischen unseren Welten für immer versiegelt wird!«
Von da an ging es bergab.
6
Erdenwelt
Es war bereits dunkel, als Vincent am Haus seines Bruders ankam. Nur die überirdischen Geschöpfe, die des Nachts ihren Dienst verrichteten, waren noch hier, denn alle menschlichen Diener mussten bei Sonnenuntergang ihre Quartiere außerhalb des Gutes aufsuchen.
Als er ins Haus trat, kam ihm der feine Geruch nach Essen entgegen, ebenso wie sein Bruder und sein bester Freund.
»Den Göttern sei Dank, endlich bist du zurück!«, seufzte Marco, der ungewöhnlich erschöpft aussah.
»Hier«, sagte Vincent und verteilte Geschenke: ein kitschiges Schmuckstück für Marco und ein Strauß bizarrer langstieliger Blumen für Landon. »Geschenke von unseren Verwandten aus der Anderwelt.«
Mit skeptischer Miene beäugten die beiden Männer die Gaben, die sie erhalten hatten, sowie die Menge der anderen Geschenke, die sich in Vincents Armen häuften.
»Ist alles gut verlaufen?«, fragte Landon.
»Nein«, teilte Vincent ihm unumwunden mit und ging allen voran in den nächsten Salon, wo er den Rest seiner Ladung auf den erstbesten Sessel fallen ließ. »Als die Versammlung eröffnet war, hat der Gesandte der Feroce den Antrag gestellt, das Tor zwischen unseren Welten zu versiegeln.«
»Götter! Aber warum denn?«, wollte Anthony wissen, der Vincents Worte gehört hatte und sich nun zu ihnen gesellte.
»Um zu verhindern, dass Dominic hinüberkommt und die Dämonen zum Leben erweckt.«
Vincent griff sich wahllos eine etwa dreißig Zentimeter hohe Statue, die Bacchus mit zwei Nymphen in obszöner Pose darstellte, und reichte sie Anthony. »Für dich.«
Anthony verdrehte die Augen und stellte das Ding beiseite.
»Aber ohne die regelmäßigen Besuche in der Anderwelt werden Dominic und Rosetta sterben«, entgegnete Marco.
Landon runzelte die Stirn und schlug mit dem Blumenstrauß in der Hand gegen sein Bein, so dass der Blütenstaub auf seinen Hosen haften blieb. »Ist den Feroce nicht klar, dass in diesem Fall einfach jemand Neues auf ihrer Seite des Tores zur Dämonenhand wird? Und dass es dann wieder so sein wird wie früher und die Dämonen die Welt jede Nacht unsicher machen werden anstatt nur eine im Monat?«
»Und was wird aus den Reben …? Und unseren Familien? Nichts davon wird eine Versiegelung der Verbindung zwischen unseren Welten überleben«, fügte Marco hinzu.
»Genau. Fürs Erste konnte ich
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