Der Traum des Satyrs
hatte.
Ein Monat! Er kannte Dominic nun schon einen ganzen Monat. Seit dieser gekommen war, um im Regiment zu dienen. Sie hatten Seite an Seite gekämpft. Hatten getötet, um einander zu schützen. Hatten jeder die Wunden des anderen versorgt. Und in all dieser Zeit hatte Dominic irgendwie die Wahrheit darüber, was er war, vor aller Augen verborgen.
Er musste seine Hand mit einem Zauber belegt haben, um den Handschuh zu verbergen. Das war die einzige Erklärung.
Noch immer konnte er es nicht glauben! Doch es gab keinen Zweifel. Er hatte es selbst gesehen. Als Dominic mit seiner rechten Hand Emmas Bauch umfasst hatte, war der Zauber gewichen. Der Handschuh und der Schimmer des mächtigen Spiegels darunter waren sichtbar geworden.
Und in diesem Augenblick hatte Carlo die schreckliche Wahrheit erkannt – dass es sich bei Dominic um den berüchtigten Hüter böser Seelen handelte.
Die Dämonenhand.
»Götter, warum er?«, schluchzte er, und sein qualvoller Ausruf zerriss das Schweigen der Nacht.
Er schaute zum Mond hinauf und suchte dessen Licht. Doch das helle strahlende Antlitz, dessen Lächeln bis dahin immer Balsam für seine Seele gewesen war, sah nun gleichgültig auf ihn herab. Ohne Anteilnahme oder Interesse. Seine Verbindung zum Mond war abgeschnitten mit dem Verlust seiner Fähigkeit, die sinnlichen Rituale zu begehen, wie es für einen Satyrn erforderlich war.
Carlo wühlte mit den Fingern durch sein Haar und riss so fest daran, dass es schmerzte. Das Bild des Paares, das er zurückgelassen hatte, verursachte ihm Qualen, die ihn an den Rand des Wahnsinns brachten.
Emma hatte ihn bemitleidet. Er hatte es in ihren Augen gesehen. Sie dachte, er wäre eifersüchtig. Das war er ja auch, allerdings nicht so, wie sie angenommen hatte.
Sie wäre schockiert, wüsste sie von den Geheimnissen, die er vor ihr und seiner Familie verborgen hielt.
Denn in ihrer Welt stellte es für einen ehrbaren Mann eine Schande dar, sich von einem anderen Mann vögeln zu lassen. Die Gesellschaft der Anderwelt sah das allerdings etwas anders. Dort stand man derartigen Sehnsüchten, wie Carlo sie schon vor langer Zeit in sich entdeckt hatte, nachsichtiger gegenüber.
Und seit kurzem konzentrierte sein Verlangen sich auf Dominic. Von dem Augenblick an, da sie sich kennengelernt hatten, vor einigen Wochen, hatte Carlo ihn im Stillen begehrt. Er hatte sich danach verzehrt, von ihm berührt zu werden, hatte sich in jedem Blick von ihm gesonnt und jedes seiner Worte in sich aufgesogen. Und Dominic hatte ihn zwar nicht ermutigt, aber auch nicht zurückgewiesen.
Also hatte er weiter gehofft.
Nachdem er verwundet worden war, schien es nur natürlich zu sein, sich in seiner misslichen Lage an Dominic um Hilfe zu wenden. Und es gab ja auch Leute, die ihn dahin gehend ermutigt hatten. Als Dom dann zugestimmt hatte, heute mitzukommen, um das Leben seines Kindes zu retten, hatte Carlo das als hoffnungsvolles Zeichen betrachtet.
Doch vorhin war das Interesse seines Kameraden an Emma nur allzu unverhohlen gewesen. Dominic hatte heute Nacht an niemand anders gedacht. Er hatte niemand anders gewollt. Nur sie.
Carlo taumelte weiter, und seine Stiefel hämmerten im Rhythmus seiner peinigenden Gedanken.
Dominic. Emma. Eng umschlungen. Beim Liebesspiel. Um
sein
Kind zur Welt zu bringen.
Hatte Dominic überhaupt bemerkt, dass Carlo gegangen war? Kümmerte es ihn?
Eifersucht durchbohrte sein Herz wie Splitter und zerschmetterte das rosarote Bild, das er sich ausgemalt hatte, als er Dominic hierher einlud. Töricht, wie er war, hatte er sich vorgestellt, dass das sinnliche Ritual zwischen seiner Frau und seinem Freund auch ihn mit einschließen würde. Zumindest in dem Maße, wie er angesichts seines Zustands noch teilnehmen konnte.
Er besaß schließlich immer noch Finger, oder etwa nicht? Und einen Mund? Einen Hintern? Und er war mit allem geübt darin, sinnliches Vergnügen zu bereiten.
Ein auf dem Boden liegender Ast verfing sich in seinem Stiefel und brachte ihn zum Straucheln. Fluchend stürzte er zu Boden. Etwas Scharfes bohrte sich in seinen Oberschenkel. Er griff in die Hosentasche und fand die Münze darin. Dieselbe, die Emma letzten Monat benutzt hatte, um seinen Samen zu blockieren.
Kurr hatte sie ihm gegeben und gesagt, er sollte sie bewahren, und sie würde ihm Glück bringen. Und das hatte sie letzten Vollmond. Er hatte ein Kind gezeugt, trotz der Bemühung seiner Frau, ihn daran zu hindern. Und am Tag darauf war Dominic in
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