Der Traum des Satyrs
schimmerte kurz, und ein von Silberfäden durchzogener Handschuh wurde sichtbar, der vorher nicht wahrnehmbar gewesen war, zumindest für niemanden außer Dominic selbst und Emma.
Emma und Jane sahen sich an. Verwirrung spiegelte sich auf ihren Gesichtern. Sie verstanden, dass hier bedeutsame Anderweltmagie am Werke war, doch sie wussten nicht, was das alles zu bedeuten hatte.
»Legt ihn ab!«, verlangte Nicholas mit einem Nicken in Richtung des Handschuhs. Noch nie hatte Emma einen so grimmigen Ausdruck in seinem Gesicht gesehen.
Dominic zog den Handschuh ab und öffnete dann langsam die Finger, so dass seine Handfläche sichtbar wurde, die in der Mitte glatt und silberfarben war. Ein Spiegel, der sich jeder Bewegung seiner Hand anpasste. Er drehte die Hand absichtlich so, dass sie das Kerzenlicht einfing und für einen Augenblick alle blendete. Dann zog er den Handschuh wieder über und ließ die Hand sinken.
»Ich verstehe nicht«, sagte Emma.
»Rosetta ist eine Auserwählte«, erklärte Dominic nüchtern. »Es spielt keine große Rolle, wer ein solches Kind zeugt. Doch es ist unumgänglich, dass der existierende Auserwählte ihn, oder
sie
in Roses Fall, einen Monat später zu Vollmond mit zur Welt bringt. Darum kam ich in jener Nacht mit Carlo hierher. Deshalb wurde ich hierhergeschickt. Um bei der Geburt meines Nachfolgers zu helfen.«
Wie schwere Felsbrocken auf einen vereisten Teich, so krachten seine Worte in die Atmosphäre und durchbrachen die oberflächliche Ruhe um sie herum.
»Verdammte Höllen!«, rief Lyon. »Wir können Emma doch nicht mit einer Dämonenhand verheiraten!«
»Einer was?«, fragte Jane.
»Ich habe in den alten Büchern eurer Bibliothek darüber gelesen«, überlegte Emma mit wachsendem Entsetzen. »Sie sind eine Art Beschützer. Sie nehmen Kreaturen aus der Anderwelt gefangen, die man Dämonen nennt.«
Dominic neigte seinen Kopf und betrachtete sie mit ausdruckslosem, stoischem Blick. »Wenn ich sterbe, wird deine Tochter meine Aufgabe übernehmen.« Er hob wieder seine rechte Hand. »Sie wird einen Handschuh wie diesen hier tragen und die bösartigen Seelen der Dämonen in ihrer eigenen verspiegelten Handfläche einkerkern.«
Emma wich zurück. »Nein! Sie besitzt keinen solchen Spiegel.«
»Er wird erscheinen, wenn es Zeit ist.«
»Das muss ein Irrtum sein. Du kannst sie nicht bekommen!« In dem plötzlichen Bedürfnis, zu sehen, ob ihr Kind wohlauf war, floh Emma aus dem Raum. Jane warf Dominic einen aufgebrachten Blick zu und lief ihr nach.
»Eine weibliche Dämonenhand?«, fragte Nicholas, nachdem die beiden weg waren.
Die drei Brüder sahen Dominic finster an, als wären sie froh, ihn bald verschwinden zu sehen. Doch er war an Feindseligkeit gewöhnt, und so machte ihm die der Brüder nichts aus.
Also nickte er nur. »Die erste überhaupt. Es wurde beschlossen, dass es das Beste sei, sie hier in dieser Welt zu lassen, da ohne Eure Einladung niemand aus meiner Welt hierherkommen kann. Sie muss mit allen Mitteln geschützt werden. Eine Ehe zwischen mir und ihrer Mutter wird ihren Schutz stärken. Ich glaube, Ihr habt Eure Frauen aus ähnlichen Gründen auf König Feydons Geheiß geheiratet, nicht wahr? Um sie vor Mächten zu schützen, die ihnen Schaden zufügen könnten?«
18
E in Geistlicher in Florenz wurde aus seinem Bett geholt und zum
castello
gebracht, um die wahrscheinlich kürzeste und feindseligste Trauungszeremonie seiner Laufbahn zu leiten.
Und so kam es, dass Emma sich sieben Stunden nach Dominics Ankunft im Salon ihrer Schwester als seine Ehefrau wiederfand. Kurze Zeit danach stand das Paar unter dem mit Kerzen beleuchteten Säulenvorbau zusammen, und sie verabschiedete sich von ihrem neuen Ehemann.
»In meiner Welt wird bald die Nacht kommen«, sagte er in die Dunkelheit gerichtet, der hier in ihrer Welt bald eine weitere Dämmerung folgen würde. »Die Dämonen werden sich wieder rühren. Ich muss gehen, doch ich werde zurückkehren, wenn ich gebraucht werde. Du musst es mich nur wissen lassen.«
»Ich werde nicht hier sein«, antwortete sie schnell. »Ich beabsichtige, das Gut wie geplant zu verlassen und nach London zu gehen.«
Im flackernden Licht der Kerzen in ihren kunstvollen Wandleuchtern wurde der Blick seiner silbernen Augen unnachgiebig. Ganz anders als die Augen des Mannes, der sie früher am Abend in der Bibliothek umworben hatte.
»Das muss ich dir verbieten. Du kannst nicht fortgehen. Auch das Kind nicht.«
»Dann sind meine
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