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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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Mattim nach einer Weile. » Du musst aufhören, Hanna.«
    Mit Mühe löste sie den Mund von seiner Haut und leckte sich die Lippen. Sie hielt ihn immer noch eng an sich gepresst, und aus irgendeinem Grund war es ihr unmöglich, ihn loszulassen. Als wären Menschen nur dafür da, um sich an ihnen festzuhalten. Ihr Mensch.
    » Das ist also die Art, wie du jagst? Du bestellst deine Beute zu dir?« Statt in ihren Armen dahinzuschmelzen, war er wütend. » Dann kann ich jetzt gehen, ja? Ich hab noch andere Dinge zu tun, und da du mir nicht helfen willst, muss ich mich wohl selbst darum kümmern.«
    » Wer hat gesagt, dass ich dir nicht helfen will?« Sie hielt seine Hand fest, und nach einem kurzen Moment des Widerstrebens ließ er sich neben ihr auf der Bank nieder. » Du schmeckst nach Magyria, wusstest du das? Nach dem Wald und dem Gras und Träumen im Licht. Es ist anders als das Blut der Menschen hier. Besser, viel, viel besser.«
    Was hätte Kunun dazu gesagt, wenn er gewusst hätte, dass sie mehr Zeit mit Mattim verbrachte als mit ihm? Mattim war wie eine Droge, eine äußerst gefährliche Droge, von der sie nicht loskam. Aber nicht aus diesem Grund war sie hier.
    » Du hattest recht, mit dieser Welt geschieht etwas, das nicht passieren sollte.« Sie verschränkte die Finger, betrachtete ihre Hände, die ihr so vertraut waren und auf einmal doch so fremd. Hände, bereit zum Kämpfen. » Abend und Morgen«, sagte sie leise. » Mittagssonne und die Nacht voller Sterne. Das hast du gesagt, gestern. So sollte Magyria sein– und auch diese Welt. Ich bin ein Schatten, doch ich will nicht, dass es bald für immer dunkel ist.«
    » Natürlich nicht. Das Licht zieht die Schatten an wie eine Lampe die Motten.«
    Sie blickte ihn nicht an, während sie weitersprach. » Und dass alle Menschen zu Schatten werden, das will ich auch nicht.«
    » Gönnst du es ihnen nicht?«, fragte er spöttisch. » Vor kurzem erst hast du mich gefragt, warum ich auf all diese Segnungen und Talente verzichtet habe. Unsterblichkeit, unterlegt mit Schlaflosigkeit und Durst, nicht zu vergessen die schönen neuen Zähne.«
    » Ich genieße es, das gebe ich zu. Aber…«
    Auf einmal hatte sie seine volle Aufmerksamkeit. » Es gibt ein Aber? Du überraschst mich.«
    » Ich will atmen«, flüsterte sie. » Ich will, dass mein Herz schlägt. Ich will hinaus in die Sonne. Ich komme mir vor wie eine Gefangene in der Nacht. Ich will frei sein. Und ich will nicht, um nichts in der Welt, dass dieses Schicksal den Menschen aufgezwungen wird, die ich liebe. Nicht Mónika, nicht Attila. Er ist noch ein Kind, er hat das Recht darauf, erwachsen zu werden. Ich will sehen, wie er ein Jugendlicher wird, ein Mann. Schon einmal habe ich eine ganze Welt für dieses Kind verraten, und ich tue es wieder, wenn es sein muss.«
    Mattim blinzelte ungläubig. » Du meinst es wohl ernst, wie? Du bist hier, um Kunun zu verraten?«
    » Nein«, sagte sie. » Nein und ja. Es ist wie bei seiner Mutter. Ich glaube nicht, dass er Elira jemals wehtun wollte. Außerdem denke ich, dass ich ihm auch in dieser Sache am besten helfe, indem ich ihn aufhalte. Ich liebe ihn viel zu sehr, um tatenlos zuzusehen.«
    Mattim öffnete den Mund, um etwas einzuwenden, überlegte es sich jedoch anders. » Gut«, meinte er. » Um seinetwillen möchtest du mir also helfen? Na, das ist besser als nichts. Was genau hast du dir vorgestellt?«
    Das Schlimmste war geschafft. Hanna lehnte sich etwas entspannter zurück. » Wir müssen diesen Zerfall aufhalten, sofern das überhaupt geht. Ob Kunun es wohl könnte, wenn ich ihn dazu überrede?«
    » Kunun kann die Ereignisse auch nicht aufhalten. Das kann nur das Licht. Allein das Licht kann die Wunden heilen, die die Dunkelheit aufgerissen hat. Es gibt zu viele Pforten, zu viel Bewegung zwischen den beiden Welten. Alles wird aufgeweicht. Dass Kunun diese Blutfeste abhält, trägt bestimmt auch dazu bei. All die Menschen in Magyria, die als Schatten in diese Welt zurückkehren oder gebissen werden und einen Teil ihres Lebens dort zurücklassen, sehnen sich nach Magyria, ohne zu wissen, dass meine Welt existiert. Das alles ist falsch.«
    Hanna dachte über seine Worte nach. » Wenn es wirklich Heilung für die Schatten gibt, ist dies vielleicht eine wunderbare neue Welt für uns.« Immer noch ungläubig betrachtete sie ihre Arme.
    » Also überlegst du es dir doch anders?«
    Auf einmal war die Entscheidung schwerer, als sie gedacht hatte. Aber ein einziger

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