Der Traum des Schattens
Gedanke an Attila reichte aus, um ihren Entschluss zu festigen. » Wir brauchen das Licht. Es bleibt dabei, ich helfe dir. Dafür verlange ich, dass du dich mit Kunun versöhnst und ihn als König anerkennst.«
» Na großartig«, murmelte er. » Das werde ich ganz gewiss nicht tun.«
» Hör mir zu«, meinte sie. » Es geht um viel mehr als um deinen Ehrgeiz. Bevor auch hier alles dunkel wird…«
» Nein«, unterbrach er sie, » du solltest mir zuhören. Ich lasse mir keine Bedingungen aufdiktieren, von niemandem, auch nicht von dir. Was du hier tust, schmeckt dir zu sehr nach Verrat? Dann koste den Geschmack aus, denn genau das ist es. Du willst mir helfen, Magyria zu retten? Dann wirst du tun, was ich dir sage, denn diesen Kampf führe ich an.«
Sie rutschte von ihm weg und funkelte ihn wütend an. » Wenn das so ist, kann ich auch wieder gehen!«
» Dann geh doch!«
Wie konnte er es wagen, so mit ihr umzuspringen? War er am Ende gar nicht in sie verliebt und hatte nur so getan? Aber wenn er darauf aus war, sie zu täuschen, warum ging er dann nicht zum Schein auf ihre Forderungen ein?
» Es ist Verrat«, sagte Mattim. » Kununs Träume sind dir nicht völlig egal, zugleich sind dir deine eigenen zu wichtig, um auf die seinen Rücksicht zu nehmen. Du hast dich gar nicht so sehr verändert, Hanna. Du hast schon einmal den Mann verraten, den du geliebt hast, um Attila zu retten. Du hast sehenden Auges dein Leben riskiert, das Licht aufs Spiel gesetzt und in Kauf genommen, dass derjenige, der dich geliebt hat, sich von dir abwenden könnte.«
» Ich weiß nicht recht, wovon du sprichst.«
» Beim Licht, ich spreche davon, wer du bist, Hanna! Du würdest niemals an der Seite eines Mannes für Ziele kämpfen, die du nicht selbst vertrittst.«
Sie dachte eine Weile darüber nach. » Stimmt«, sagte sie schließlich. » Genau deshalb werde ich nicht in deine Dienste treten. Du hast gesagt, du warst nie Kununs Untertan, selbst wenn du scheinbar für ihn gearbeitet hast. Genauso wenig werde ich mich deinem Befehl unterstellen. Wenn du möchtest, dass ich etwas tue, musst du mir schon genau erklären, warum. Ich muss wissen, was du planst und was du damit erreichen willst. Wenn ich der Ansicht bin, dass du zu weit gehst oder Kunun gefährdet wird, werde ich einen Schlussstrich unter unsere Zusammenarbeit ziehen. Ich werde dir ganz gewiss nicht auf den Thron helfen. Ich will nur, dass in beiden Welten alles an seinem Platz bleibt.«
Sie streckte die Hand aus.
Er sah ihr in die Augen, lange, als suchte er darin nach etwas. Vielleicht hatte er es gefunden, denn er schlug ein.
» Als Erstes«, sagte er, » müssen wir herausbekommen, ob Kunun jemals eine Lichtprinzessin hatte. Es kann immer nur eine geben, für ein ganzes Leben.«
» Bist du sicher, dass sie kommt?« Mattim fand das Versteck hinter dem großen Ohrensessel keinesfalls ideal. » Das wird alles äußerst peinlich.«
» Atschorek wird dich nicht bemerken«, versprach Mirita. » Für mich hast du jedenfalls nicht die Energieausstrahlung eines Menschen. Du bist wie ein blinder Fleck in der Wahrnehmung.«
» Aha, danke.«
Sie grinste. » Gern geschehen. Und zu deiner anderen Frage: Die beiden sind verabredet, das habe ich mitbekommen. Ich stand sozusagen direkt daneben, aber Atschorek hat mich vollkommen ignoriert, wie Höhergestellte es gerne tun.«
» Es gibt also Wächter im Schloss?«
» Wir achten heutzutage auf andere Dinge.« Mirita hätte beinahe wieder angefangen, mit ihren Haaren herumzuspielen, wie jedes Mal, wenn sie verlegen war. » Auf Leute, die sich aus dem Festsaal schleichen und Kerzenleuchter stehlen wollen, zum Beispiel. Wie auch immer, sie treffen sich heute, und zwar hier. Das Angebot steht noch, dass ich mir ihr Gespräch alleine anhöre. Es gibt keinen Grund, warum du dabei sein müsstest.«
Doch, den gab es. Mattim wusste genau, warum er Mirita diese Aufgabe nicht überlassen wollte– er war sich nicht sicher, ob sie ihm wirklich alles erzählte oder ein paar entscheidende Details für sich behielt.
» Ich will es mit meinen eigenen Ohren hören.«
» Wie du meinst. Und jetzt duck dich. Wir passen nicht beide hinter den Sessel, ich suche mir ein anderes Versteck aus.« Sie zwinkerte ihm zu. » Wie in alten Zeiten.«
Als sie davonhuschte, erlaubte Mattim es sich ein letztes Mal, die Beine auszustrecken. Mädchengespräche konnten sich endlos lange hinziehen, darauf hatte er sich eingestellt. Er fürchtete weniger,
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