Der Traum des Schattens
die Tür, und die schwülwarme Luft schuf eine Dschungelatmosphäre, zu der die Musik wie ferne Urwaldtrommeln passte. Laternenlicht spiegelte sich in den Pfützen, rauschend fuhr ein Auto vorbei.
» Dein Vater wollte uns doch abholen, Dorina?«, fragte die Blonde und warf einen furchtsamen Blick zurück. Sie stieß Réka an. » Ich glaube, er kommt uns nach. Oh Mann, ist der widerlich!«
» Lasst uns von hier verschwinden«, jammerte Dorina. » So eine blöde Party. Ich dachte, du kennst diesen Typen, der Geburtstag hat?«
» Schon, aber nicht seine Freunde«, gab Valentina zurück. » Was kann ich denn dafür, dass das solche Blödmänner sind.«
» Der ist mir unheimlich«, flüsterte Dorina. » Jetzt guck doch nicht so, Réka, ignorier ihn lieber.«
Der junge Mann glotzte immer noch. Offenbar verstand er das entsetzte Kichern der Mädchen als Einladung, denn er setzte sich in Bewegung und kam auf sie zu.
» Lasst uns woanders hingehen, schnell!«
» Wenn wir nicht hier auf ihn warten, findet mein Vater uns aber nicht.«
» Dann ruf ihn halt an!«
» Er ist bestimmt schon unterwegs. Das hoffe ich jedenfalls.«
Réka hakte sich bei ihren beiden Freundinnen unter. » Keine Panik«, sagte sie. » Der Kerl ist völlig harmlos.«
» Ich finde ihn gruselig«, murmelte Valentina.
» Gruselig ist was anderes«, meinte Réka. » Also, ihr geht jetzt da vorne hin und wartet. Wenn dein Vater kommt, Valentina, fahrt ihr einfach los. Wartet nicht auf mich.«
Die beiden Mädchen starrten sie an. » Was? Natürlich warten wir auf dich!«
» Ich will noch nicht nach Hause«, sagte Réka. » Es ist erst eins. Hey, der Abend hat gerade angefangen. Ich hab drinnen ein paar echt süße Typen gesehen. Und dieser Widerling sieht aus, als hätte er eine Ohrfeige nötig. Nicht wahr?« Sie drehte sich zu ihm um. Der Mann stand jetzt direkt hinter ihnen. » Eine Ohrfeige… oder eine kleine Abkühlung? Oder… Ah, da fällt mir noch etwas ein, warum bin ich nicht gleich darauf gekommen?«
» Réka!«, bettelte Dorina. » Hör auf!«
» Da ist Papa!« Als die runden gelben Augen des beigefarbenen Wagens durch die Dunkelheit schimmerten, lief Valentina zwischen den parkenden Autos auf die Straße. » Kommt. Jetzt kommt endlich!«
Die Prinzessin in dunkelgrüner Spitze rührte sich nicht von der Stelle. Sie musterte den betrunkenen Partygast, der unangenehm dicht vor ihr stand und ihr seinen Atem ins Gesicht blies, aus zusammengekniffenen Augen.
Mit laufendem Motor verharrte der alte Mercedes auf der Straße. » Réka!«, schrie Valentina durch das offene Fenster.
» Fahrt!«, schrie sie zurück. Dann verwandelte sich ihre Mädchenstimme in eine dunkle, samtige Verlockung, als sie sich wieder dem dämlich grinsenden jungen Mann zuwandte. » Lässt sie dich einfach hier stehen. Du bist nicht ihr Typ, kapiert?«
» Aber deiner, wie?« Er ließ die Augen auf ihrem kleinen, hellen Gesicht ruhen.
Sie wirkte sehr jung und merkwürdig verloren. Unwillkürlich griff sie nach der dünnen goldenen Kette um ihren Hals, als könnte sie sich daran festhalten. Ihre Finger schlossen sich um den diamantenbesetzten Herzanhänger.
» Vielleicht.« Ihre Mundwinkel hoben sich, als sie den Betrunkenen unter dem Vordach wegzog, hinaus in den Nebel.
» He, wir werden nass«, protestierte er.
» Das macht nichts.« Sie nahm seine Hand und zerrte ihn weiter. » Du bist nicht aus Zucker. So ein großer Kerl wie du. Übrigens bist du viel zu alt für uns. Vor allem für meine Freundin. Abgesehen davon, dass du zu hässlich und zu was auch immer bist. Sie will nichts von dir, klar? Wenn ein Mädchen nein sagt, bedeutet das nein, verstanden?«
» Aber du sagst ja?«, fragte er und riss sie an sich heran.
Sie blinzelte mit leuchtenden Augen zu ihm auf. Die Feuchtigkeit verwischte ihr Make-up, schwarze Streifen liefen ihr über die Wangen. Er beugte sich zu ihr hinunter, um sie zu küssen, da schlug ihm das Mädchen die Zähne in den Hals.
Danach rutschte er benommen an der Mauer hinunter und blieb auf dem nassen Bürgersteig sitzen.
Die grüngewandete Prinzessin trat ihn mit ihren spitzen Stiefeln einmal heftig gegen das Bein. » So, für heute hast du genug!«
Angewidert wischte sie sich über den Mund und schlenderte zurück zum Hauseingang. Im Lichtschein, der durch die Glastüren fiel, zögerte sie kurz. In der Scheibe sah sie ihr Spiegelbild. Das nasse Kleid klebte an ihrem Körper, ihre Haare lagen wie eine Badekappe an ihrem Kopf an.
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