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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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schmeckte er seltsam süß, wie ein vermodernder Wald, nach Blättern und Pilzen und Brombeeren.
    Wie weit war es noch bis zu Hause? Der Nebel verbarg die Fassaden, verfremdete die Gebäude ins Unkenntliche. Sie hatte keine Ahnung, wo sie abgebogen war. Nicht einmal die sonst so belebte Hauptstraße, die Váci út, konnte sie hören. Wie war es möglich, sich in der Gegend, in der man aufgewachsen war, zu verirren?
    Da, ein Schatten, eine Gestalt, irgendetwas. Lautlos in der Dunkelheit.
    Zu spät. Ich hätte sie längst rufen sollen, jetzt ist es zu spät …
    Mit zitternden Fingern tastete sie nach ihrem Handy, ließ es fast fallen.
    » Wenn du in Schwierigkeiten bist, ruf mich an«, hatte Réka gesagt. » Nicht die Polizei, nicht deine Familie. Mich.«
    Márias Fingerspitzen verhielten, sie zögerte. Dann erinnerte sie sich an Rékas Gesicht, an ihre eindringliche Stimme. Wie konnte eine Sechzehnjährige, auf die sie früher aufgepasst hatte und deren Bruder sie hin und wieder noch betreute, ihr helfen?
    » Wenn du glaubst, dass da etwas ist, im Dunkeln, ruf mich an.« Als ob sie es gewusst hätte.
    Egal zu welcher Zeit. Auch nachts. Als wenn diese zierliche Person nie schliefe.
    » Wo bist du?«, fragte Réka am anderen Ende der Leitung.
    » Ich… ich weiß es nicht«, flüsterte Mária, dankbar für jedes Wort, das sie aussprechen konnte. » Ich war auf dem Heimweg. Irgendwo zwischen der Metró-Station und unserem Block.Réka, bitte beeil dich. Und bring eine ganze Horde Freunde mit!«
    » Bin schon unterwegs.«
    Einen Augenblick fühlte Mária sich beinahe erleichtert. Sie drückte sich an eine Hauswand und wartete.
    Wartete endlos. Die Sekunden vergingen so zäh wie der dunkle Nebel.
    Vorsichtig machte sie wieder ein paar Schritte auf die Straße hinaus. Da tippte ihr jemand auf die Schulter. » Hab dich«, flüsterte ihr eine Stimme ins Ohr.
    Sie musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, wer es war. Der Typ aus der Metró.
    » Hab dich«, wisperte die Stimme noch einmal. » Schönes, kleines Ding!«
    » Zurück! Sie gehört mir.«
    Eine Gestalt schälte sich aus der Dunkelheit. Ein Mädchen, gekleidet in schwarze Spitze, ein Mädchen mit kurzen schwarzen Haaren und großen Augen. Sie sah aus wie eine Prinzessin, die ins Wasser gefallen war, in einem Märchen, das hin und her flirrte zwischen Realität und Albtraum.
    » Kleiner Irrtum«, sagte der Mann. » Ich habe sie gestellt, also gehört sie mir. Du musst dich woanders nach Beute umsehen.«
    Réka war allein. Die Hoffnung, die in Mária aufgebrandet war, erstarb wieder. Keine Armee, kein Schlägertrupp, nichts. Nur eine winzige Sechzehnjährige in einem schwarzen Kleid.
    » Sie ist meine Freundin.« Réka trat furchtlos näher. Sie wirkte ein wenig wie ein bissiger Terrier, aggressiv und unerschrocken, und sie fauchte wie eine Katze. » Lass die Finger von ihr.«
    » Tut mir leid, dann hättest du sie irgendwie… markieren müssen.« Der Mann amüsierte sich über seinen eigenen Witz.
    Réka lachte nicht mit. Sie sprang vorwärts, ohne Warnung, ohne Schlachtruf. Ihre kleinen Fäuste flogen durch die Luft.
    Mit einem Aufheulen torkelte der Mann zur Seite, hielt sich das Gesicht. » Verdammt, du miese Schlampe!«
    Réka trug stachelbewehrte Handschuhe. Der Schatten streckte abwehrend die Hände vor, während das Mädchen nach ihm schlug, seine Arme streifte, wieder und wieder. Sie schrie auf, als er zurückschlug und ihre Wange traf.
    Zwei goldene Augen leuchteten in der Dunkelheit auf, und geschmeidig löste sich ein riesiger, flammenfarbener Wolf aus dem Nebel, der bedrohlich knurrte.
    » Mit dem werde ich alleine fertig!«, rief Réka, von neuem Mut erfüllt, und griff heftig an.
    » Oh Gott, das tut weh! Es blutet, es tut weh!«
    » Natürlich«, höhnte Réka. » Dachtest du, du bist unverletzlich? Unbesiegbar? Verschwinde. Jede einzelne Schramme bleibt. Jeder Kratzer ist eine Erinnerung an heute Abend. Was ist? Willst du noch mehr?«
    Nein, wollte er nicht. Vielleicht trug auch der lauernde Wolf dazu bei, dass er seine Meinung änderte und sich daran erinnerte, dass es leichtere Beute gab, und zwar überall in dieser Stadt der Verdammten.
    » Das habe ich nicht nötig.« Er wich dem zähnefletschenden Raubtier aus und ließ sich von der Dunkelheit verschlucken.
    Mária hielt sich mühsam aufrecht und schnappte nach Luft. Sie starrte ihre Freundin, die ihr plötzlich fremd war, bloß an und suchte nach ihrer Stimme.
    » Alles okay? Hat er dich

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