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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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aber auch nicht. Ich kann dir nicht mehr trauen. Geh jetzt.«
    Weinend stolperte sie fort, während Mattim sich gegen einen Baum lehnte und versuchte, sich aus dem Strudel seiner Gefühle freizuschwimmen. Als seine Sinne ein leises Rascheln wahrnahmen, wusste er, dass Bela durchs Gebüsch strich. Kurz darauf stand Farank neben ihm und legte die Hände an die raue Rinde.
    » Sie haben die ungarische Frau getötet.«
    Mattim biss die Zähne zusammen.
    » Als Hanna gegangen ist, hat Theresa noch gelebt. Ich finde, das solltest du wissen. Kunun und die anderen haben sie danach erledigt.«
    » Danke«, knurrte er, » wenigstens etwas.«
    » Er will, dass du dich schuldig fühlst. Allein aus diesem Grund hat er sie umgebracht.«
    » Ich bin ja auch schuld!«, rief Mattim. » Schließlich habe ich sie hergebracht. Sie war kein Lichtkind, sie hatte Angst, und jetzt ist sie tot. Wir sind verraten worden, Vater.«
    » Du musst der Wahrheit ins Auge blicken, mein Sohn. Hanna ist nicht mehr das Mädchen, das du geliebt hast.«
    » Willst du damit andeuten, dass sie mich an Kunun verraten hat? Wir sprechen von Hanna, von meiner Lichtprinzessin!«
    Farank legte den Arm um ihn, eine zärtliche Geste und dennoch nicht fähig, ihn zu trösten.
    » Du weißt, dass es so ist. Nur aus diesem Grund hast du Mirita am Leben gelassen.«
    » Es könnte auch Bartók sein. Ihn habe ich noch nicht befragt.«
    » Bartók ist dein loyaler Gefolgsmann. Er würde dich nicht hintergehen, denn du bist für ihn die einzige Hoffnung, seine Stadt aus der Dunkelheit zu retten. Es war Hanna und niemand anderes. Dein Plan, sie zurückzugewinnen, ist gescheitert. Sie hat Kunun nie mehr gehört als jetzt. Wir müssen die Sache beenden.«
    » Nein!«
    Der König des Lichts schüttelte sorgenvoll den Kopf. » Du kannst dir nicht erlauben, deine Gegner zu lieben, Mattim. Wenn du im Moment der Entscheidung zögerst, haben wir keine Chance auf einen Sieg, und es wird nicht viele Möglichkeiten geben, unser Schicksal zu wenden. Die Zeit läuft uns davon.«
    » Ich werde nicht zögern. Glaubst du, ich hätte Kunun in den Fluss werfen können, wenn ich auch nur eine Sekunde länger gewartet hätte?«
    » Vielleicht hättest du diese eine Sekunde vertan, wenn Hanna neben Kunun gestanden hätte. Wenn du ihr dabei in die Augen geblickt und gewusst hättest, dass du alles, was sie für dich empfindet, aufs Spiel setzt. Wenn du schwach bist, werden wir nicht siegen, Mattim. So einfach ist das.«
    Es stimmte. Sie wussten es beide. Wie sollte er kämpfen, wenn Hanna ihm in der Schlacht entgegentrat? Wenn Kunun sie als Geisel benutzte? Hanna war immer seine Stärke gewesen. Jetzt war sie seine schlimmste Schwäche, und das konnte er sich nicht erlauben.
    » Kunun kennt deine Gefühle«, sagte Farank. » Das macht ihn so gefährlich.«
    » Nein«, widersprach Mattim. » Er war schon viel zu lange ein Schatten. Er weiß nicht mehr, was Menschsein heißt– wachsen, sich verändern. Für ihn bin ich immer noch der kleine Bruder, dabei stimmt das längst nicht mehr. Ich bin weder klein noch so naiv wie mit siebzehn. Ich bin jetzt neunzehn, und ich habe beschlossen, dass ich ihm oft genug beigestanden und seine Spielchen mitgemacht habe. Kunun hatte seine Chance. Wenn er jetzt ertrinkt, werde ich ihn nicht aus dem Fluss ziehen. Wenn er in den Abgrund fällt, werde ich die Hand nicht ausstrecken. Endlich bin ich der Feind, den er sich immer gewünscht hat.«
    » Und Hanna?«, fragte sein Vater leise. » Gilt das auch für sie? Dass du die Hand nicht ausstrecken würdest, um sie festzuhalten?«
    Ja, Hanna. Das war die Frage.
    » Du weißt es nicht«, stellte Farank fest. » Genau deshalb wird Kunun wieder siegen.«
    » Nein«, entgegnete Mattim. » Glaub das nicht. Ich verspreche dir, ich werde nicht schwach sein. Aber gib mir noch ein wenig Aufschub. Gib mir eine letzte Gelegenheit, die Sache zu wenden. Sie ist meine Lichtprinzessin, Vater. Wenn sie stirbt, werde ich mein Licht niemals zurückgewinnen. Was ist, wenn wir feststellen, dass es gar kein Lichtkind gibt, oder wenn Kunun es umbringt? Dann wäre Hanna die einzige Hoffnung auf die Rückkehr des Lichts. Allein aus diesem Grund müssen wir warten bis zum Schluss, bis zu dem Moment, an dem wir in die Schlacht ziehen.«
    Der alte König lächelte freudlos. » Nur aus diesem Grund?« Er seufzte und wechselte das Thema. » Wann ist es so weit, Mattim? Was macht deine Armee?«
    » Ich arbeite daran«, sagte Mattim schroff. »

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