Der Traum des Schattens
hat er das nicht getan. Andere sind ihm völlig gleichgültig, unserem süßen Prinzen. Adrienn wollte ihn aufhalten, also musste sie sterben, und alle ihre Herzensgüte und ihre guten Taten waren vergessen. Er hat ihr das ewige Leben, die Chance auf Jahrzehnte ohne Schmerzen und Krankheit, einfach wieder genommen. Er kämpft gegen das Böse, unser Held, selbst wenn es den Namen Adrienn Bartók trägt. Und so«, Atschorek lächelte milde, » endet diese Geschichte mit einem schrillen Kreischen und einer alten Frau im Nachthemd, die lichterloh brennt. Auf diese Weise besiegt man nämlich die Feinde in jener radikalen, barbarischen Welt, aus der Mattim stammt, auch wenn er noch so zivilisiert tut.«
» Ich bringe dich um«, flüsterte Bartók, sein Gesicht eine Maske aus Zorn und Hass. » Ich bringe dich um, du Schwein!«
Seine Hand zuckte zu der Waffe, und Mattim zweifelte nicht daran, dass der Polizist ihn auf der Stelle erschossen hätte, wenn nicht Atschorek eingegriffen hätte. Sie stellte sich Bartók in den Weg, doch sein Fuß schnellte vor, und nach einer gewandten Drehung stürzte die unbesiegbare Schattenprinzessin rücklings auf die Matratze.
» Geh, Mattim!«, rief sie. » Du bist frei.«
Während sein neuer Feind und seine Schwester miteinander rangen, schlüpfte Mattim aus dem Kellerraum. Er nahm die Treppe mit einigen wenigen Sätzen und rannte nach draußen.
Mit dem Unterricht würde es heute wieder nichts werden. Dabei… Gab es nicht in ein paar Tagen Zeugnisse? Egal. Wen kümmerten jetzt noch Noten und dieser ganze Kram? Réka hatte ihre Mutter zu Hause abgeliefert. Mária schlief in der neuen kleinen Wohnung auf der Couch, aber Attila war schon wach und wollte zur Schule.
» Ich habe mir überhaupt keine Sorgen gemacht«, verkündete er lauthals, während er sie beide umarmte und wie immer viel zu fest drückte. » Ich wusste, ihr kommt zurück.« Er runzelte die Stirn, während er seine zerzauste Mutter betrachtete. » Was ist mit ihr los?«
» Ich habe sie gebissen, damit sie alles vergisst, das ist los«, fauchte Réka. » Ich musste die ganze verdammte Nacht aus ihrem Gedächtnis löschen!«
» Echt?«, fragte Attila, der sich von dieser ungewöhnlichen Antwort nicht irritieren ließ. » Cool.«
» Dich müsste ich auch beißen, damit es kein anderer tut«, sagte sie. » Das ist der einzige Schutz, den es gibt. Bissspuren.«
Der Junge starrte ungerührt zurück. » Ich hab keine Angst vor dir, dass du’s nur weißt. Ich hau dich, wenn du es versuchst.«
» Irgendjemand wird es aber tun, und der hört vielleicht nicht rechtzeitig auf und bringt dich um. Die ganze Stadt ist voller Vampire.«
» Wie müssen sie aussehen?«, fragte er.
» Was muss wie aussehen?«
» Die Bissspuren. Ich male mir welche auf die Haut. Und wenn jemand mir blöd kommt, zeige ich sie ihm.«
Er beugte sich über seine Mutter und betrachtete interessiert ihre Hand. Dann verschwand er in seinem Zimmer, um sich einen Stift zu holen.
Réka seufzte. » Dumm ist er nicht. Ach, Mama, wie soll das bloß alles enden?«
Mónika saß im Sessel, die Hände auf den Armlehnen, als wollte sie jeden Moment aufspringen. Sie war blass und wirkte erschrocken, wie gerade eben aus einem Albtraum erwacht.
» Ich mach uns einen Kaffee«, bot Réka sich an.
Ihr Vater würde toben, wenn er merkte, dass sie die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen war, und dann musste sie ihn ebenfalls beißen. Hatte er nicht ein Date gehabt? Daran würde er sich danach nicht erinnern können, was Réka weniger schlimm fand. Wie sollte Ferenc jemals wieder mit Mónika zusammenkommen, wenn er sich in eine fremde Frau verliebte? Vielleicht traf er sich ja mit einem Schatten. Allerdings trug er Rékas Bissspuren, weshalb sich eigentlich keine Schattenfrau an ihm bedienen durfte. Wenigstens einmal habe ich etwas richtig gemacht.
Der Kaffeeduft weckte Mária, die sich mit glasigen Augen umsah. » Hm? Bin ich noch hier? Was ist los? Ihr seht aus, als ob jemand gestorben wäre.«
» Irgend so ein Typ hat sie abgefüllt, und sie hat einen Filmriss«, erklärte Réka hilfsbereit. » Ehrlich, Mam, du solltest ein bisschen besser drauf achten, mit wem du mitgehst.«
Dorina, dachte sie. Wen soll ich auswählen, Dorina oder Valentina?
Es klingelte an der Tür.
» Das ist Hanna!«, schrie Attila.
Die Hoffnung war absurd. Hanna konnte es nicht sein. Alles war schiefgegangen… Hanna ist bei Kunun.
Der Junge rannte zur Tür. Réka sah nicht hin, sie
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