Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
Vom Netzwerk:
wollte gar nicht wissen, wer da war.
    » Guten Morgen. Ach, sind schon alle wach?«
    Unverkennbar. Eine Stimme, bei der Réka ein Frösteln überlief vor lauter Glück: Mattim.

10
    BUDAPEST, UNGARN
    Mit leuchtenden Augen drehte Réka sich um und strahlte Mattim an. Wo war er bloß gewesen? Sie hatte ihn heute verloren, einen schrecklichen Moment lang, als der Fremde über die Brüstung gefallen war, doch nun war er hier, überaus lebendig. Abgesehen von einem blauen Auge und einer blutenden Lippe sah er recht gut aus. Sie durfte nicht fragen. Sie durfte über nichts reden. Sie konnte ihn nur anstarren. Es war wie ein Wunder. Attila hängte sich sofort an ihn, sodass Mattim ungeschickt in die Wohnung stolperte.
    Mária rieb sich gähnend die Augen und starrte ihn feindselig an, als sie ihn erkannte.
    » Soll das hier eine Versammlung sein?« Natürlich reichte ihm ein Blick, um festzustellen, was mit Mónika los war. » Wo ist Hanna?«
    Alle zuckten die Achseln. Réka beschloss zu verschwinden, doch Mattim heftete sich an ihre Fersen.
    » Warte mal. Auf ein Wort.«
    Sie wusste, was gleich kam. Einen Moment lang erwog sie, ihn zu beißen, aber sie befürchtete, dass das bei Mattim nicht so einfach werden würde. Er war sicher auf der Hut. Mattim wirkte eindeutig menschlich– warm und strahlend, braungebrannt, vielleicht sogar etwas muskulöser als früher. Erwachsener. Genau, das war es: Er sah ein wenig älter aus, nicht mehr so jungenhaft. In ihrem Inneren fühlte Réka den scharfen Schmerz des Neides. Es brannte, wie der rote Fleck auf ihrer Wange gebrannt hatte. Immer sechzehn. Und ich werde immer sechzehn bleiben.
    » Ich wollte dich nicht verraten«, sagte sie. » Tut mir leid. Wenn ich dich nicht zur Burg gebracht hätte…«
    » Vergiss es«, unterbrach er sie schroff. » Wo ist Hanna?«
    Sie durfte kein Wort verraten. Hanna ist bei Kunun … Das würde er noch früh genug erfahren, aber nicht von ihr. Sobald sie die Augen schloss, sah sie Kunun vor sich, der über dem sterbenden Wächter seine Rede hielt.
    » Keine Ahnung.«
    Sein Blick traf sie bis ins Mark. » Du beißt deine eigene Mutter?«
    » Es ging nicht anders«, gestand sie kleinlaut. Sie wollte auftrumpfen, den Schatten herauskehren, aber angesichts seiner strengen Miene wurde sie ganz klein.
    » Ist es so richtig?« Attila drängte sich dazwischen und präsentierte ihr seinen Unterarm, auf dem zwei dunkelrote Punkte prangten.
    » Réka!«, rief Mattim entsetzt.
    » Jetzt gehöre ich dir, ja? Das werde ich allen sagen.« Zufrieden hüpfte der Junge wieder davon.
    » Sie sind nur aufgemalt«, sagte Réka müde. » Ich würde ihn nicht beißen. So tief bin nicht einmal ich gesunken.«
    » Was ist hier los, Réka? Was ist vergangene Nacht passiert? Wovor hast du Angst?« Die dritte Frage stellte er merklich sanfter. » Sie haben dich bedroht, richtig? Ich weiß, dass du mich sonst nicht verraten hättest. Nicht einmal für eine Umarmung von Kunun.«
    » Es ist wahr«, flüsterte sie. » Das hätte ich nicht.«
    Auf seinem Gesicht spiegelte sich alles– seine Wut, seine Sorge, seine Erschöpfung. Gott, wie lebendig er war! » Sag mir wenigstens eins: Lebt Hanna noch?«
    Seine Augen waren… blau? Augen wie der Himmel. Sie vermochte ihm nichts abzuschlagen, selbst wenn sie den Zorn sämtlicher Vampire heraufbeschwor. Also rang sie sich ein kaum merkliches Nicken ab. Das konnte hoffentlich nicht einmal Atschorek als Verrat werten.
    » Gut«, sagte Mattim leise.
    Er war nicht ihre eigene Liebe, das wusste sie genau, trotzdem konnte Réka nicht anders, als Mattim mit Hannas Augen zu betrachten. Sein Gesicht, seine Haare, die Augen, die so wechselhaft waren, manchmal wie der Himmel und manchmal wie die Steine von Akink. Seine Stimme brachte etwas in ihr zum Schwingen. Er war attraktiv, aber das war es nicht allein. Er war so… liebenswert. So verdammt liebenswert. Sie liebte ihn auch. Nicht wie Hanna, sondern eher wie– wie einen großen Bruder?
    Er war so, wie Attila einmal werden konnte. Hübsch und freundlich und stürmisch und mutig…
    Zur Hölle mit Atschorek, dachte Réka ganz und gar nicht liebenswürdig. Damit schlug sie Mattim die Tür vor der Nase zu und eilte in den frühen Morgen davon.
    Mónika stand völlig neben sich, während Mária eine feindselige Miene aufsetzte und behauptete, sie müsse sofort nach Hause. Daher erklärte Mattim sich trotz seines lädierten Aussehens bereit, Attila zur Schule zu bringen. Er hatte keine Angst vor den

Weitere Kostenlose Bücher